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Deutschlands größtes Naturreise-Magazin
14 Seiten | Text & Fotos
„Kannst Du bitte Deine Dokumententasche von der Ablage nehmen?“, fragt mich unser Guide Sukee, der meine Frau Annette und mich wenige Minuten zuvor vom Flughafen Muskat abgeholt hat.
Er sieht in mein verwundertes Gesicht und ergänzt: „Sorry, im Oman gibt es ein paar wundersame Gesetze, nichts Ernstes, aber es dürfen keine Gegenstände auf der Ablage unter der Windschutzscheibe liegen. Und vielleicht ist Dir das aufgefallen: Aufkleber auf der Windschutzscheibe sind auch nicht erlaubt.“
Das kleine Kuriositätentheater geht weiter: Über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 120 fängt es an zu fiepsen in jedem omanischen Auto.
Nach diesem eigentümlichen Auftakt sind Annette und ich gespannt, was der Wüstenstaat in den kommenden Tage noch zu bieten hat.
Eines kann ich vorweg nehmen: Wir sollten uns noch wundern.
Stell‘ Dir vor, Du öffnest einen Backofen und hältst Dein Gesicht in die heiße Luft.
Muskat
Alles wirkt merkwürdig ausgestorben am späten Vormittag. „Das liegt daran, dass viele Geschäfte erst am Nachmittag öffnen. Und dafür bis Mitternacht geöffnet haben.“, erklärt Sukee.
Natürlich, die Hitze. Jetzt im Winter liegen die Höchsttemperaturen bei etwa 30 Grad Celsius. Im Sommer schwingt sich das Thermometer gerne zwischen 40 und 50 Grad ein.
„Stell‘ Dir vor, Du öffnest einen Backofen und hältst Dein Gesicht in die heiße Luft – so fühlt es sich dann in Muskat an.“, erläutert Sukee.
Auf dem historischen Basar von Muskat.
Sukee liefert uns einen kurzen Abriss über das Sultanat: Dank enormer Erdöl und Erdgasvorkommen ist Oman ein reiches Land. Schule, Studium, Ärzte, Hospital und alle damit verbundenen Leistungen können kostenfrei von den Omanis in Anspruch genommen werden.
Der Wohlstand ist sichtbar: Die Sonne spiegelt sich in den großen Glasfassaden moderner Gebäude, auf den Straßen kreuzen auffallend viele japanische Autos und dicke Jeeps.
Es geht friedlich zu im Straßenverkehr, die Omanis hupen zwar gern, jedoch nicht aggressiv, sondern zum Hallo sagen oder um sich zu bedanken.
Die Insel gilt als einer der weltweit besten Hotspots für Walhai-Beobachtungen.
Ad-Dimaniyat-Inseln
Kapitän Thaleb schiebt den Gashebel seines überdachten 18-Personen-Bootes nach vorn. Sanft drückt es uns in die Sitze. Der Fahrtwind verscheucht die etwa 32 Grad warme Luft. Die Küstenlinie Muskats entfernt sich.
Eine halbe Stunde später blitzen sandige Lichter im Meer: Die Dimaniyat-Inseln. Die kleine Inselkette aus neun unbewohnten Inseln erstreckt sich über eine Länge von etwa zwanzig Kilometern. Sie gilt als einer der weltweit besten Hotspots für Walhai-Beobachtungen. Leider nicht zu dieser Zeit.
In Schnorchelmontur springen wir ins Wasser. Gleich darauf bestaunen wir Papageienfisch, Picassofisch und etwa fünfzehn weitere Korallenfischarten.
An einer Stelle zupft eine größere Gruppe Karettschildkröten Schwämme aus dem Riff. Ich zähle sechzehn Exemplare. Wir bestaunen dieses lautlose, wunderschöne Bild für ein paar Minuten.
Rückkehr zu unserem Ausflugsboot in einer Bucht der Ad-Dimaniyat-Inseln.
Zeit für eine Mittagspause. In einer kleinen, seichten Bucht gehen wir an Land. Die Inseln sind weitestgehend kahl, spärlich mit Vegetation bewachsen und ohne Süßwasservorkommen.
Der letzte in unserer Reihe ist Thaleb, der für das Touristenbüro arbeitet. Behutsam watet er hinter uns durch das brusthohe Wasser und gesellt sich, sichtlich bewegt, zu uns in den Schatten. Wir erfahren: Der Mittdreißiger war eben das erste Mal überhaupt im Meer.
Tage auf dem Meer machen Appetit. Sukee führt uns in das Restaurant Rozna im Muskater Viertel Shatti Al-Qurm. Von außen wirkt es wie eine trutzige Wüstenfestung. Viele lokale Besucher laben sich hier an traditioneller Küche.
Die Männer tragen das kragenlose, knöchellange Gewand Dishdasha samt Kopfkappe Kuma, fast alle Frauen sind mit Hidschab verschleiert und tragen hochgeschlossene, langärmlige Abaya-Gewänder, welche oft mit farbfrohen Bestickungen veredelt sind.
Kamelfleisch ist ein wichtiger Bestandteil omanischer Küche.
Zu unseren Gerichten, darunter auch ‚Shiwaa‘, Ziege, werden Tumaric und Salz als Gewürz gereicht. Reis, Fleisch und Gemüse ist in Bananenblätter eingewickelt. Diese erhalten den Geschmack, heißt es.
Die Überraschung des Abends und nichts weniger als eine Offenbarung für Fleischliebhaber: Kamelfleisch. Kamelfleisch ist ein wichtiger Bestandteil omanischer Küche. Das Fleisch ist fettarm, proteinreich und hat einen einzigartigen Geschmack.
Ein beliebtes omanisches Gericht heißt Mashuai. Es wird in einem speziellen Ofen zubereitet. Zuvor wird das Fleisch mit einer Mischung aus Salz und Gewürzen eingerieben. Das Ergebnis ist zartes, saftiges Fleisch mit einem einzigartigen, rauchigen Geschmack.
Hamid, Sukee und ich sind bereit zum Abstieg in das Höhlensystem ‚7th hole‘.
Klettertraining im Wadi Mayh
Der gesamte Tag ist reserviert für unser Klettertraining als unbedingt notwendige Vorbereitung für den Besuch des Höhlensystems namens ‚7th hole‘ am nächsten Tag.
Der AMC-Pickup in Überlänge fährt Annette und mich in eine sehr staubige Schlucht namens Wadi Mayh. Kletter- und Höhlenguide Hamid zeigt uns zwei Seile, die an der rostroten Felswand etwa zwanzig Meter hoch führen.
In den nächsten Stunden lernen wir die Handhabung verschiedener Kletterwerkzeuge, Techniken zum Auf- und Abstieg und Verhalten bei Notsituationen.
Mit dem Abseilgerät können wie kontrolliert absteigen, es verlangsamt die Abstiegsgeschwindigkeit am Seil. Der ASAP (Assisted Safety Attachment Point) sichert uns bei Auf- oder Abstieg.
Dank der Steigklemme können wir am Seil hoch klettern. Dabei sichert die Seilklemme das Seil. Und der Cowtail, eine kurze Sicherungsleine, bietet zusätzlichen Schutz, wenn man sich am Fels festmacht.
„Wiederholung ist der Meister aller Fähigkeiten.“
Neben vielem theoretischem Input scheucht uns Hamid immer wieder die Seile hoch und runter. „Wiederholung ist der Meister aller Fähigkeiten.“ lacht Hamid. Durch diesen Drill sollen sich bei uns Handgriffe und Fußtechniken bestmöglich einprägen. Wäre da nur nicht die pralle Nachmittagssonne bei über dreißig Grad.
Nach dem schweißtreibenden Prozedere sind Annette und ich mental wie physisch ziemlich ermattet. Mittlerweile ist dunkel. Wir brechen zu unserem Nachtlage auf.
Hamid steuert den überlangen DMC eine kurvige, steile Bergstraße hinauf. Unser Ziel ist das Salmah Plateau auf 1.400 Metern Höhe. Dort wollen wir morgen früh in die Höhle einsteigen.
Hamid am Lagerfeuer nahe des Höhlensystems. Im Hintergrund ein wilder Esel.
Oben, auf dem Plateau angekommen, machen wir kurz Rast. Innerhalb weniger Minuten fiel das Thermometer von 26 auf 18 Grad. „Heute Nacht wird’s noch kälter.“, kommentiert Hamid, „Ich schätze 10 Grad.“
Eine halbe Stunde später erreichen wir unser Nachtlager. Wir richten im Lichte des Vollmonds Zelte und Lagerfeuer her. Niemand außer uns ist hier. Keine Zivilisationsspuren sind zu erkennen.
Nur wenige Meter neben uns eine gewaltige Spalte, die die flache, mit Geröll übersäte Ebene zäh einschneidet. „Geht bitte nie weiter als zwei Meter an den Rand der Spalte.“, warnt Sukee, „Es kann dort instabil und brüchig sein. Es sei denn, Ihr den schnellsten Weg 200 Meter tief zum Grund.“
„Lasst Eure Schuhe nicht draußen stehen. Manchmal kommen Füchse vorbei, die knabbern die an.“
Am Lagerfeuer sitzend kriecht die Müdigkeit in unsere Glieder. Da erkennen wir zwei leuchtende Augenpaare, die langsam näher kommen. „Oh nein!“, stöhnt Hamid, „Wilde Esel! Die können nachts sehr laut und nervig werden.“
Bevor wir uns in unser Zelt verkriechen, gibt Sukee uns noch einen Tipp: „Lasst Eure Schuhe nicht draußen stehen. Manchmal kommen Füchse vorbei, die knabbern die an.“ Zum Glück verläuft die Nachtruhe ohne Zwischenfälle.
Abstieg zur Kathedrale
Das 7th hole Höhlensystem besteht aus mehreren Eingängen, Schächten und Tunneln, die in die Tiefe führen. Die Höhle selbst ist mehrere Kilometer lang, hat zahlreiche Abzweigungen und enge Passagen, durch die man kriechen muss.
Der Name ‚7th hole‘ bezieht sich auf eine der Abzweigungen im Höhlensystem, die als ‚siebter Eingang‘ bekannt ist. Dort wollen wir einsteigen.
Bereits am Lagerplatz rüsten wir uns für den Abstieg in die Höhle: Klettergurt, Seile, Kletterwerkzeuge, Rucksack, Lampen und Helm.
Nach einem zwanzigminütigen Fußmarsch erreichen wir den Schacht, der die ersten achtzig Meter in die Tiefe führt. Durch viele Öffnungen und Spalten dringt Tageslicht ein, die Höhlenlampen bleiben ausgeschaltet.
Der Höhepunkt der Höhlenexkursion: Die etwa 200m hohe Höhlenkammer, auch ‚Kathedrale‘ genannt.
Jetzt wird sich zeigen, ob Annette und ich gestern gut aufgepasst haben. Vor mir steigt Sukee hinunter, um mich ggf. bei schwierigen Stellen von unten anzuweisen. Nach mir folgt Hamid. Ich lasse es langsam und konzentriert angehen.
Eine halbe Stunde später erreichen wir das Ende des Seils in etwa 100 Metern Tiefe. Immer noch ist es taghell, die Felsformationen und -muster präsentieren sich im besten Licht.
Es folgen Fußmarsch plus Kraxelei zum nächsten Schacht, an dem wir uns weitere 100 Meter in die Tiefe lassen. Es wird dunkler. An einer Stelle, kurz nachdem ich mich an ein weiterführendes Seil umhänge, kann ich mich nicht weiter abseilen. Eines der vielen Seile an mir ist komplett gespannt. Ich stecke fest.
Mit Sukees Hilfe von unten analysiere ich die Lage, steige wieder einen Meter zurück nach oben und sichere mich. 100% konzentriert hänge ich Gerätschaften um, enttüddele Seile bis alles wieder sortiert ist. Hoffentlich. Langsam lasse ich mich wieder hinab. Puh! Alles läuft wieder im wahrsten Sinne reibungslos.
Die Welt sieht hier völlig anders aus.
Dann endlich – nach anstrengenden 100 Minuten – sind wir am Grund der Höhle angelangt. Wir betreten eine Kathedrale aus Stein.
Die Sonne steht hoch, ihre Stahlen beleuchten eine Wand dieses gigantischen Raumes. Sukee streckt seine Hand aus und zeigt zum Spalt in der Decke, etwa 200 Meter über uns: „Da oben, nur 20 Meter weiter links, da ist unser Lagerplatz.“
Ich mag es kaum fassen. Nach gefühlten Stunden des Abmühens stehen wir nun an der gleichen Stelle wie gestern Abend, nur eben 200 Meter tiefer.
Die Welt sieht hier völlig anders aus. Ein unterirdisches Wadi, menschenleer, eine terra incognita, in der die Sinne extrem geschärft sind. Um die Dimensionen einigermaßen fassbar zu machen, platziere ich Hamid und Sukee als Referenzpunkt in meine Bilder, ansonsten erscheinen die Motive wie abstrakte Grafikkunst.
Unser Nachtlager am Indischen Ozean.
Hamid weist auf eine Öffnung in der Wand hin: „Da steigen wir gleich hinein. Denn wir wollen ja nicht auf gleichem Wege zurück.“ Hinter dem Loch öffnet sich ein schmaler Tunnel, in dem wir uns gebückt hindurcharbeiten. Jetzt helfen die Helmleuchten.
„Schau mal hier,“, sagt Hamid und deutet auf eine kleine Nische im Tunnel, „vor ein paar Jahren harrten dort zwei Höhlenkletterer aus, bis das Wasser wieder gesunken ist.“ Welches Wasser bitte? Hamid erläutert, dass die Höhle jetzt in der Trockenzeit so etwas wie ein ausgetrocknetes Flussbett ist.
Doch in der Regenzeit kann die Höhle durch unterirdische Wasserzugänge in kurzer Zeit mit Wasser volllaufen. Genau das erlebten zwei Höhlenkletterer, die dann diesen höher gelegenen Fluchtplatz aufsuchten, bis die Gefahr gebannt war.
Das 7th hole ist ein faszinierendes wie atemberaubendes Höhlensystem.
Am Ende des Tunnels und einer weiteren kleineren Abseilaktion haben wir das Ende des angenehmen Teils erreicht. Nun müssen wir die gesamte Strecke am Seil wieder hochklettern.
Das heißt konkret: Die am Seil angebrachte Steigklemme wird am Seil hochgeschoben, dann folgt eine Kombination aus Klimmzug und Kniebeuge. Und wiederholen. So lange, bis wir wieder an genau der Stelle sind, an der wir hinuntergestiegen sind. Dazwischen liegen fünf Stunden.
Das 7th hole ist ein faszinierendes wie atemberaubendes Höhlensystem, welches nur sehr wenige Besucher verzeichnet. Es ist eine einzigartige Möglichkeit, die Schönheit der Unterwelt von Oman zu erkunden und gleichzeitig eine kognitive wie physische Herausforderung zu meistern.
Sonnenaufgang am Indischen Ozean.
Mondnah
„Salalah heißt Gartenstadt. Aber schon bald sind wir tief in der Wüste. Und die werdet Ihr nicht vergessen!“, verspricht uns Ali Al-Shahri, unser Guide für die kommenden Wüstentage.
Wir können uns keinen besseren Vertreter des Landes vorstellen. Überschwänglich wird nahezu jede Sehenswürdigkeit und Speise mit den Begriffen “Magnificient, fascinating, amazing, better than wow.” angepriesen.
Ali ist mit zwei Ehefrauen verheiratet und stolzer Vater von drei Mädchen und sieben Jungs im Alter von zehn bis achtundzwanzig Jahren. „Und, so Gott will, gibt es noch Pläne für die Zukunft!“, lacht er.
Seine ältesten Söhne haben bereits Karriere eingeschlagen als Rechtsanwalt, Doktor und IT Experte. Er selbst hat über 25 Jahre für eine internationale Bank gearbeitet, bevor er umsattelte zum Reiseführer.
„Früher dachten die Menschen hier oben, niemand lebe näher am Mond als sie.“
Wir verlassen Salalah und unser Fahrer Ali, einer der besten Freunde unseres Guides, steuert den Geländewagen in Richtung der ‚Mondberge‘, wie die bis zu 900 Meter hohen Erhebungen von den Einheimischen genannt werden. „Früher dachten die Menschen hier oben, niemand lebte näher am Mond als sie. An klaren Tagen kann hier 30 Kilometer in allen Richtungen blicken.“
Die Wüste formt wunderschöne vergängliche Kunstwerke.
Schneiden bis der Harz kommt
Ahmed Amir Alawaid steht im Schatten eines etwa 200 Jahre alten Weihrauchbaumes. „Diesen Baum hat schon mein Vater gepflegt. Und mein Großvater.“ Alawaid ist der Chef des Weihrauchbaum-Nationalparks, in dem etwa 5.000 bis zu 7 Meter hohe, arabische Weihrauchbäume wachsen.
Oman gilt als Wiege des Weihrauchs. Er ist berühmt für seinen einzigartigen Duft und seine medizinische Wirksamkeit. Hier, in luftiger und monsunwarmer und feuchter Höhe, gedeihen die kostenbaren Bäume so gut wie nirgendwo sonst.
„Ich nutze Weihrauch als Kaugummi für die Zahnreinigung.“
„Manche Bäume werden sogar bis zu 800 Jahre alt.“, setzt Alawaid fort, „Im Oman nutzen wir Weihrauch in Moscheen, Häusern und Geschäften, um angenehmen Duft zu versprühen und böse Geister abzuwehren.“
Ali ergänzt: „Er hilft auch bei Prostata-Schmerzen, Asthma, Verdauungsproblemen, Entzündungen. Ich persönlich mag ihn im Haus, als Rauch vertreibt er Insekten. Und ich nutze ich als Kaugummi – für die Zahnreinigung.“
Alawaid zückt sein Messer und demonstriert, wie Weihrauch geerntet wird, allerdings ist jetzt keine Erntesaison und der Baum bleibt unbeschadet: „Zunächst wird der Baum leicht geritzt, damit Harz austreten kann. Nach etwa zwei Wochen wird das getrocknete, minderwertige Harz entfernt.“
Erst nach weiteren Schnitten und Trocknungen wird hochwertiges Harz geerntet, gesäubert und weiterverarbeitet.
Ahmed Amir Alawaid im Schatten eines etwa 200 Jahre alten Weihrauchbaumes.
Diese Tradition ist über 6.000 Jahre alt. Schon die heiligen drei Könige schenkten der Jesusfamilie den damals überaus kostbaren Weihrauch. Ein Kilo, sagt man, wurde aufgewogen mit einem Kilo Gold.
Im Grabmal Tutanchamun fand man Reste von Weihrauchharz und mancher römischer Imperator, darunter Nero, schätzte den Duft, der viele Westeuropäer an Weinachten erinnert.
Alawaid erklärt weiter: „Je heller das Harz des Weihrauchs, desto wertvoller ist er. Das kostbarste Harz nennen wir Royal Hojari. Er ist der weltweit reinste, hellste und wohl teuerste Weihrauch.“
„Die Natur ist einfach die beste Apotheke.“
Die Kostbarkeit der gesamten Tradition erkannte auch die UNESCO. Der Ort ist seit dem Jahr 2000 erklärtes UNESCO-Welterbe.
Auf dem Weg zurück zum Auto begeistert sich Ali: „Ahhhh, Weihrauch. Die Natur ist einfach die beste Apotheke.“
In den Sand setzen
Über Stunden erfassen meine Augen nur zwei Farbflächen, sobald ich aus dem Fenster schaue: Oben blau, der Himmel, unten hellbraun, die endlose Sandebene. Dazwischen erheben sich Dünen nahe des Horizonts.
Von Zeit zu Zeit huschen im Vordergrund ein paar grüne Büsche an unserem Geländewagen vorbei. Entfernungen und Dimensionen lösen sich auf.
Annette und ich dösen aus dem Fenster, träumen uns in die schier unendliche Dünenwelt der weltgrößten zusammenhängenden Sandwüste Rub al-Khali hinein. Nicht umsonst nennt man diesen Teil das ‚leere Viertel‘.
Kamele in der größten zusammenhängenden Wüste der Welt, der Rub al-Khali.
Da, dunkle Tupfer am Horizont. Sie scheinen sich zu bewegen. Es sind Kamele. Während wir ihnen näherkommen, erklärt Ali: „Seit 4.000 Jahren leben die Beduinen hier mit ihren Kamelen. Sie sichern ihnen das Überleben in der Wüste. Es sind erstaunliche Tiere. Ihre breiten Füße sinken im weichen Sand nicht ein. Ohne Murren tragen sie 300, manchmal 400 Kilogramm.
Kamele speichern 40 Kilogramm Fett in ihren Höckern, wovon sie über Monate leben können. Wenn sie dann Wasser finden, können sie in einer halben Stunden 150 Liter trinken.
Ali weiter: „Und versucht das mal: in Wüstenstürmen können sie ihre Nasenlöcher vollständig verschließen, haha!“ Schlagartig sind wir hellwach, denn wieder einmal hat uns Alis Begeisterung angesteckt.
Es sind Geoden, rundliche Gesteinskörper mit kristallener Füllung.
Plötzlich stoppt Fahrer Ali den Wagen, steigt aus und scheint nach etwas zu suchen. Nach zwei Minuten kehrt er mit zwei Handteller großen, geschlossenen Steinkugeln zurück. Er klopft sie mehrfach gegeneinander.
Eine Kugel bricht auf. Darin eine mineralische, fossile Substanz in beiden Hälften, die nun das erste Mal das Licht der Welt erblickt, nach Zehntausenden von Jahren.
Es handelt sich hierbei um Geoden, rundliche Gesteinskörper mit kristallener Füllung. Sie entstanden durch Erkaltung von Lava und sind Indiz für vulkanische Aktivität der Region.
Einfach faszinierend, welch‘ Wunder diese Wüste zu bieten hat.
Nur kurz zuvor erblickte die mineralische, fossile Substanz dieser Geode genannten hohlen Gesteinskugel das erste mal das Licht der Welt.
Wir setzen die Fahrt fort, immer tiefer ins sandige Niemandsland hinein. Die Sonne sinkt, die Schatten werden länger und die Farben intensiver.
Annette und ich erklimmen eine gigantische namenlose Düne. Drei Schritte hoch, zwei zurück.
Oben angekommen hören wir nur noch Herzpochen vom anstrengenden Aufstieg und das Rauschen von Millionen Sandkörnern, die der Wind herumscheucht. Bis zum Horizont nur ein sandiges Nichts. Keine Zivilisationsspuren außer denen unseres Jeeps.
Nach Sonnenuntergang verschwindet auch der Wind und in diesem Antarktis der Sande bleibt eine mystische Stille, unverändert seit Millionen Jahren.
Es gibt sie noch, die unberührten Orten. Unwirtlich. Unbewohnt. Unbeugsam. Mitunter gefährlich, wenn man sich nicht auskennt. Immer wieder gehen Menschen verloren, auch Einheimische. Die Rub al-Khali ist etwa 1,5 Mal so groß wie Deutschland.
Ein geologisches Nirwana
Sie erstreckt sich tief nach Saudi-Arabien hinein, im Osten bis zu den glitzernden Metropolen der Vereinigten Arabischen Emirate. Im Süden bildet der Indische Ozean eine natürliche Grenze. Dazwischen herrscht die Leere. Ein geologisches Nirwana.
Doch diese Einöde, das Wenige bis Nichts, das ist der besondere Glanz, das eigentliche Wunder in einem Zeitalter des Überangebots. Ein gesunder Fluchtpunkt für Menschen.
Ein Demutsort und Nullpunkt, wo man sich verzaubern lassen kann und zu sich kommt.
Mitten im Nirgendwo des Leeren Viertels.
Noch Wochen nachdem wir zurückkehrt sind, freuen sich Annette und ich an den ‚blinden Passagieren‘, den unfreiwilligen Souvenirs, den kleinsten Teilen des großen Omans.
Sie rieseln aus Koffern, Ausrüstung und Hosentaschen und rufen wohlige Erinnerungen wach:
Es sind Sandkörner.
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