Interview mit südafrikanischer Ranger-Legende

„Wildnis und Natur haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin.“

12. November 2019
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7 Min.
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Kategorien: Alle | Logbuch | Südafrika
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Bruce demonstriert, wie man mit Holz, Elefantendung, Geschick und Geduld Feuer entfacht.
Bruce demonstriert, wie man mit Holz, Elefantendung, Geschick und Geduld Feuer entfacht.
7 Min.Bruce Lawson arbeitet seit 1992 als Field Guide / Wildnishüter und blickt auf über 18.500 Stunden protokollierte Wildniserfahrung zurück. Er zählt zu den beeindruckendsten Menschen, die ich in meinem Leben getroffen habe. Hier mein Interview mit ihm.

MC: Was hast du während deiner Ausbildung als Field Guide gelernt, was du Menschen vermitteln möchtest?

BL: Es fing schon weit vor meiner Ausbildung an: Mein Vater ist Ethnologe und hat viel in den Wäldern gearbeitet. Also bin ich als Kind oft mit ihm mitgegangen und ich habe es geliebt.

Nach meiner Zeit beim Militär war es für mich eine ganz natürliche Sache, Guide zu werden. Und heute arbeite ich immer noch als Guide. Guiding ist für mich etwas sehr Persönliches. Die Wildnis, die Natur haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin.

Die Wildnis, die Natur haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin.

Wenn ich mit Menschen in die Natur gehe, möchte ich ihnen genau dies vermitteln, egal wer es ist, egal ob sie Minuten, Stunden oder Tage mit mir verbringen. Ich empfinde es als meine Verantwortung, Menschen ein Gefühl für die Wildnis zu vermitteln und sie als Naturschützer davongehen zu lassen.

MC: Kann die Wildnis Menschen verändern?

BL: Ja, es gibt viele Beispiele. Eine Amerikanerin nahm an einem unserer Schnupperkurse teil. Ein Jahr später hat sie mich kontaktiert und gefragt: „Bruce, kann ich mit Dir in den Busch gehen?“ Sie wusste nichts über Ausrüstung und nur sehr wenig über den Busch. Aber durch den Schnupperkurs wurde bei ihr ein Schalter umgelegt und sie war nicht mehr zu halten.

Dieses Jahr hat sie auch gebucht und bringt wieder Freunde mit. Einige aus ihrem Kreis gründeten in Deutschland und USA eigene Initiativen, mit denen der Naturschutz vor Ort gefördert wird. Für mich ist das das Beste, was man mir zurückgeben kann.

MC: Was macht einen guten Field Guide aus?

BL: Drei Eigenschaften: Umfangreiches Wissen über die Natur, weitreichende Menschenkenntnis und die Fähigkeit, tiefe Beziehungen aufbauen zu können – zu Mensch und Tier.

Wenn ein Field Guide Leidenschaft hat, Wissen, Verständnis und Liebe für die Umgebung, in der er arbeitet, dann überträgt sich das automatisch auf seine Klienten. Wenn man diese Eigenschaften nicht hat, wird man auch kein guter Field Guide. Letztlich ist Guiding kein Job, sondern eine Lebensweise.

MC: Was ist die größte Bedrohung für die Wildnis in Südafrika?

BL: Das Bevölkerungswachstum. 60% der südafrikanischen Bevölkerung lebt am Rande des Krüger Nationalparks. Und das ist auch die ärmste Bevölkerungsgruppe. Diese Menschen leben von der Hand in den Mund und es werden mehr.

Die Infrastruktur wächst aber nicht mit. Es gibt spürbar mehr Druck auf die Umwelt, die Folgen sind Wilderei und illegale Viehfütterungen. Das lässt die Parks inkl. Fauna und Flora immer kleiner werden.

MC: Was kann man dagegen tun?

BL: Meine Vorstellung ist es, Menschen dazu zu motivieren, sehr bewusst mit der Natur umzugehen. Es sind die kleinen Dinge, die die Umwelt verändern können und verändern werden. Kleine Dinge kann jeder Mensch in jeder Situation jeden Tag verrichten.

Plastik nicht achtlos wegwerfen, sparsam mit Wasser umgehen, es gibt unzählige Möglichkeiten. Es gibt mehr Menschen auf den unteren Ebenen als ‚da oben‘. Wir müssen die Schlacht von unten nach oben führen und nicht andersherum.

Nep und Bruce schöpfen Wasser aus einem Loch im Limpopo River. Das Wasser ist unbedenklich und kann sofort getrunken werden.

MC: Hast Du in der Wildnis besondere Begegnungen erlebt?

BL: Oh ja, viele. Die bezauberndsten Momente in der Wildnis waren Begegnungen mit großen Tieren, am meisten mit Elefanten. Wenn da ein sechs Tonnen schweres Tier zwei Meter von dir entfernt ist, spürst Du eine Verbindung.

Du sitzt da. Du hast dieses Tier vor dir und es ist fast so, als hättet ihr eine Konversation. Niemand sagt etwas. Das Tier ist glücklich und du bist glücklich, auch wenn dein Herz wie verrückt schlägt! Du bist absolut und komplett in Frieden, mit dir selbst, mit deinem Umfeld.

Nichts anderes ist wichtig außer der Verbindung zwischen euch beiden… Dann atmet das Tier laut aus und geht weg. See you later, bis später.

Ich bin sicher, dass sich das jetzt etwas seltsam anhört, aber ich glaube, das Tier fühlt genau wie wir, es kann diese Verbindung auch spüren. Mit Elefanten ist mir das schon ein paar Mal passiert. Das sind lebensverändernde Momente. Und für diese Momente lebe ich.

Das sind lebensverändernde Momente. Und für diese Momente lebe ich.

MC: Was ist die gefährlichste Begegnung, die du jemals in der Wildnis hattest?

BL: Oh, da gab’s einige. Vor allem seitdem ich Guides ausbilde, also in den letzten 15 Jahren. Da gab es viele Begegnungen, vor allem wenn du es mit gefährlichem Großwild, z.B. Büffeln oder Nilpferden zu tun hast. Wir wollen den angehenden Guides ja das Verhalten der Tiere zeigen.

Das ist wie beim Rennfahren: Du weißt, dass etwas passieren kann wenn du nicht vorsichtig bist. Aber ja, es war schon einige Male knapp, besonders mit Elefanten. 2008 stieß mich ein Elefant um, und mein Backup Guide musste das Tier erschießen, ansonsten hätte es mich getötet. Das war wirklich brenzlig.

Ich denke, es ist gefährlicher, in einem Erste-Welt-Land die Straße zu überqueren, als sich hier im Busch aufzuhalten.

Und das andere Extrem war: Auch ich musste einmal ein Tier erschießen. Aber weißt du, ich habe über 18.500 Stunden Erfahrung in der Wildnis und ich bin froh, dass nur zwei Tiere sterben mussten. Ich wäre viel glücklicher, wenn keines der Tiere hätte erschossen werden müssen.

Aber wenn es entweder um dein Leben, das Leben deines Klienten oder das des Tieres geht, dann hast Du nicht wirklich eine Wahl. Wenn du nicht bereit bist zu schießen, darfst du kein Guide werden. Dennoch: Ich denke, es ist gefährlicher, in einem Erste-Welt-Land die Straße zu überqueren, als sich hier im Busch aufzuhalten.

Bruce erklärt Sophie, Martina und Kim anhand von Fotos, wo sich bei verschiedenen Tieren das Gehirn befindet. Im Falle eines Angriffs muss der Schütze es mit seinem ersten Schuss treffen.

MC: Hast du ein Motto oder ein Zitat, das deine persönlichen Werte wiederspiegelt?

BL: Es gibt da ein Zitat, das mich immer wieder einholt. Es stammt nicht von mir, aber es ist etwas, das ich anstrebe und wozu ich auch andere Menschen, vor allem Guides, motivieren möchte:

Yesterday is history, tomorrow is a mystery. Now is a gift, that’s why it’s called present.

Gestern ist Geschichte, morgen ist ein Geheimnis. Das Jetzt ist ein Geschenk, darum heißt es Präsent.

Ich wünsche mir, dass Menschen so leben. Du weißt, dass du morgen tot sein könntest. Deshalb solltest du dein Leben lieber jetzt in vollen Zügen leben. Bereite dich auf morgen vor, aber lebe im Jetzt.

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