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Deutschlands größtes Naturreise-Magazin
14 Seiten | Text & Fotos
Südsee mit ertrunkenem Wald und Mangrovenherz
Und dann hinter dem Hügel erscheint vor mir plötzlich eine endlose hellblau-türkise Fläche, aus der weiße Baumstämme herausragen wie Bündel von Streichhölzern. „Voilà. Das ist der Lac de Yaté“, erklärt mir meine Begleitung Axelle, „er sieht zwar nicht so aus, aber er ist ein Staudamm. 1959 hat man ihn angelegt, um damit Strom für unsere Hauptstadt Nouméa zu gewinnen. Dafür haben sie einen ganzen Wald auf einer Fläche von 4.000 Hektar absaufen lassen.
Das würde sich heute niemand mehr trauen.“ Dennoch, der wie ein ökologisches Mahnmal wirkende forêt noyée (ertrunkener Wald) ist eine Sehenswürdigkeit: er hält einen wichtigen ökologischen Gedanken fest und er ist Teil einer atemberaubenden Palette von Kontrasten und Farben der neukaledonischen Landschaft.
Rostrote Flächen rund um den Lac de Yaté enthalten hohe Konzentrationen an Magnesium, Chrom, Eisen, Mangan, Kobalt und Nickel. „Welcome to Heavy Metal Land“, schmunzelt Axelle, „dieser Giftmetall-Cocktail im Boden macht es Pflanzen schwer, sich hier anzusiedeln.“
Einheimische Tier- und Pflanzenarten haben Millionen von Jahren gebraucht, um sich an die harschen Lebensbedingungen anzupassen. Invasive Arten gaben dagegen rasch auf. Daher ist die Anzahl endemischer Arten im weltweiten Vergleich extrem hoch. Etwa 80 % aller Tiere und Pflanzen der Insel existieren nur hier. Biologen, Botaniker und Geologen dürfen ins Schwärmen geraten.
„Dieser Giftmetall-Cocktail im Boden macht es Pflanzen schwer, sich hier anzusiedeln.“
Endemisch fast überall
Überhaupt: ‚endemisch‘, das höre ich oft von Axelle. Gleichsam stolz wie begeistert berichtet sie mir von einzigartigen Insekten auf Neukaledonien: Heuschrecken, Ameisen, Zikaden, Kriebelmücken, Phasmiden. Dann noch 197 Schmetterlingsarten und sogar eine Blattschneidebiene.
Die Insel beherbergt noch Schlangen, Skinke, Geckos und Fledermäuse. Alle endemisch. Auch die 21 Vogelarten, darunter Drosseln, Tauben, Krähen, Sittiche und sogar gleich eine ganze Vogelartenfamilie, die Kagus. Axelle hält mitten im schattigen ‚Park de la Rivière Bleue‘ und steigt aus. „Wenn wir etwas Glück haben, lässt sich der Kagu vielleicht blicken.“
Nach einer halbe Stunde Marsch unter dem dichten Baumdach hören wir ein leises Knacken im Unterholz. Axelle hält inne und flüstert mir zu: „Ich glaube, da vorne ist einer. Die Kagus sind weder besonders leise, noch wehrhaft, noch können sie fliegen. Über die Jahrhunderte wurden sie von eingeschleppten Hunde, Katzen und Ratten arg dezimiert.“
Nur zwei Meter vor uns stolpert ein hellblauer Vogel von der Größe einer massiven Taube aus dem Wald. Sein orangeroter Schnabel pickt im weichen Boden eilig nach Würmern und Kleintieren. Nach wenigen Sekunden verschwindet er im Gebüsch. Ich staune zu lang und greife zu spät zu meiner Kamera. „Mach‘ Dir nichts draus“, lacht Axelle, „fotografiere einfach die neukaledonische 5-Francs-Münze, auf der ist er eingraviert.“
Der Lac de Yaté wurde 1959 als 4000 Hektar großer Stausee angelegt. Dem Projekt fielen Abertausende Bäume zum Opfer und die entstandenen versunkenen Wälder sind eine bizarre wie fragwürdige Schönheit.
Ein Fluss aus Pernod
Von Axelle lerne ich: Neukaledonien ist eine verschlungene, atemberaubende Komposition kontrastreicher Biome, Tiere, Pflanzen und Landschaften. Noch ein Beispiel gefällig? Wir passieren einen milchig-grünen Wasserlauf. Axelle kommentiert: „Das ist der ‚Creek Pernod‘. Er sieht zwar aus wie ein umgekippter Fluss voller Algen, aber das Grün stammt einem Mineral namens Olivin. Das ist im Flussbett reichlich vorhanden und wird permanent vom langsam fließenden Wasser abgetragen.“ Ein grüner Fluss inmitten einer urzeitlichen Landschaft – ich komme mir vor wie auf einem fremden Planeten.
Auch geologisch ist Neukaledonien außergewöhnlich und bedeutsam: Die Insel ist nicht nur ein Teil der Abbruchkante des Superkontinents Gondwana, sondern auch eine der wenigen sichtbaren, nicht untergetauchten Regionen des geheimnisvollen Kontinents, den seit 2017 mehr und mehr Wissenschaftler zum siebten Erdkontinent küren lassen wollen: Zealandia.
Dank des Abbruchs von Gondwana ist hier einiges auf den Kopf gestellt worden: Nickel wird hier nicht aus Löchern tief im Erdinneren gewonnen, sondern man trägt es von den Bergspitzen ab. 10 % des weltweit gehandelten Nickels stammt aus Neukaledonien.
„28 Dialekte spricht man auf Neukaledonien.“
Ozeaniens Prachtbau
„Der Eingang des Rundhauses ist sehr niedrig. Jeder muss sich klein machen, um hineinzugelangen. Damit hast du dich automatisch vor dem anwesenden Stammeshäuptling verbeugt.“ Georgy Passil arbeitet als Guide im Tjibaou Kulturzentrum und weiht mich in die Geschichte und die Tiefen kanakischer Kultur ein. „Schau‘ mal da, die Totem-Schnitzereien auf dem zentralen Pfeiler.
Jedes Bild hier hat einen hohen symbolischen Gehalt. Ein Netz steht zum Beispiel für Wasser. Oder die Taube als Symbol für den Wald. Viele Tiere sind mit Bedeutungen und Ahnengeschichten aufgeladen – das macht sie zum Totem. So werden Geschichten, Bedeutungen und Werte verkörpert. Sie spenden den Menschen im täglichen Leben Orientierung und Schutz. In unserem Glauben gibt es eben nicht die einzige allmächtige Gottheit. Viele uns von gehören einem christlichen Glauben an und pflegen gleichzeitig mythische Ahnenkulte. Du verstehst schon: Doppelt hält besser.“
Wir wandeln weiter auf dem Gelände, dessen Hauptbau die weltberühmte Architektur-Ikone Renzo Piano entwarf, in Kooperation mit dem Ethnologen Alban Benda. Es steckt voller Referenzen auf die Symbol- und Bedeutungsvielfalt kanakischer Kultur. Georgy kennt sich aus: „28 Dialekte spricht man auf Neukaledonien.
Die Säulen der eierförmigen Gebäude sind genau 28 Meter hoch, vor jedem Hauptabschnitt sind 28 Columné Pinien gepflanzt und wir beobachten alles mit 28 Überwachungskameras. Neben der Zahlenspielerei darf man nicht vergessen, das Hauptziel des Gebäudes war die Anerkennung der kanakischen Kultur.“ Namensgeber Jean-Marie Tjibaou, der auch als Nelson Mandela Neukaledoniens bezeichnet wird, hat als Vertreter der kanakischen Unabhängigkeitsbewegung dafür gesorgt, dass das Verhältnis zu Frankreich seit 1988 dank mehrerer Verträge neu organisiert ist.
Die ehemalige Kolonialmacht hat als einziges Auslandsterritorium Frankreichs den Sonderstatus als ‚Pays d’outre-mer‘ und verfügt damit über weitreichende Autonomierechte. Der hochverehrte Tjibaou, der 1989 einem Attentat zum Opfer fiel, gilt damit als Verwirklicher einer Vision, in der Kanaken, Franzosen und polynesische Völker gemeinsam ihre Zukunft gestalten.
Für viele das schönste neuzeiliche Gebäude Ozeniens: Das Kulturzentrum Tjibaou, entworfen vom italienischen Stararchitekten Renzo Piano.
Inselerkundung im Nordwesten
Nur einen Tag später düse ich mit Emile über eine wenig befahrene Schnellstraße gen Nordwesten. Oft kommen wir an abgebrannten Feldern vorbei. Seltsamerweise ragen dort immer noch Bäume heraus, denen das Feuer wenig auszumachen scheint. „Das sind Niaouli-Bäume“, erklärt mir Emile, „die haben eine dünne Rinde ähnlich wie die einer Birke, aber sehr viele Schichten davon. Ein Feuer brennt nur die äußeren Schichten ab, das gespeicherte Wasser dazwischen wirkt zusätzlich wie ein Feuerlöscher. Auf Neukaledonien weiß man eben wie man überlebt.“
Nach ein paar Stunden Autofahrt sind wir weit in einen sehr dünn besiedelten Teil der Insel vorgedrungen. Das merke ich daran, dass Emile hier jeden entgegenkommenden Autofahrer grüßt, Straßenpassanten sowieso.
Auch stoppt er gerne mal für ein kurzes Pläuschchen mit Straßenarbeitern. „Jeder kennt hier irgendwie jeden“, sagt Emile, „und jeden triffst du irgendwann wieder. Besonders wenn du so wie ich im Tourismus arbeitest. Also behandle jeden so wie auch du behandelt werden möchtest, mit Aufmerksamkeit, Respekt und Anstand.“ Umgangsformen neukaledonischer Art, mir gefällt das.
„Jeder kennt hier irgendwie jeden und jeden triffst du irgendwann wieder.“
Wir verlassen die asphaltierte Straße und es geht weiter über eine sandige Piste durch dichte grüne Wälder. An Seitenstraßen und Weggabelungen sind ausgediente Fernseher oder Mikrowellenherde als Briefkasten aufgestellt. Immer wieder grasen Pferde am Wegesrand. Sie werden nur zweimal jährlich für das Zusammentreiben von Vieh genutzt, ansonsten stehen sie herum und werden sich selbst überlassen, ohne Stall, und wildern wieder halb aus.
Noch mehr als Pferde gibt es Hirsche auf Neukaledonien. Auch sie wurden – wie übrigens Wildschweine, Ziegen, Hunde, Katzen, Ratten und Kaninchen auch – eingeführt. Zehn Mähnenhirsche hat der Gouverneur von Batavia 1870 als Gastgeschenk übergeben. Die büchsten bald darauf aus und fanden in der Natur ideale Lebensbedingungen. Heute soll auf jeden der 270.000 Neukaledonier knapp zwei Hirsche kommen.
In der Obhut von Laura & Etienne
Nach etwa zwei Stunden Fahrt auf Schotterpisten erreichen wir eine Siedlung mit zersplitterten Häuschen. Am Fuße einer Talsenke ganz am Rande der Siedlung, die kaum als Dorf auszumachen ist, machen wir halt. ‚Chez Laura‘ ist auf einem verwitterten Schild auszumachen. Aus dem zugehörigen Gelände tritt ein leicht untersetzter, fideler Mann auf uns zu.
Dann schwingt sich Emile plötzlich zu einer kleinen förmlichen Rede auf: „Lieber Etienne, es freut mich sehr, dass Du uns beide für eine Nacht in Deine Obhut nimmst. Du bist immer ein vorbildlicher Gastgeber gewesen. Du und Laura haben meine Gäste stets freundlich empfangen und Ihr habt Euch von Eurer besten Seite gezeigt.“
So geht es blumig für etwa eine Minute weiter. Dieses kleine Begrüßungsritual namens ‚faire la coutume‘ ist Tradition auf der Insel. „Es geht darum, Respekt und Dank zu zeigen und sich einer wertvollen Verbindung zu vergewissern.“ erläutert mir Emile, nachdem er Gastgeber Etienne ein kleines Geschenk aus Tüchern und Geldmünzen überreicht hat.
Laura und Etienne Boya Wayahat bieten ihren Gästen im wenig besiedelten Nordwesten von Neukaledonien ein Erlebnis kanakischer Kultur, Küche und Gastfreundschaft.
Auf dem leicht abschüssigen Gelände flattern überall bunte Tücher, Bougainvilleas blühen, Bänke und Holzhütten laden zum Verweilen ein. Man sitzt gerne und oft zusammen auf Neukaledonien. Gemeinschaft zählt viel, der Einzelne weniger. So war auch der Bau der Rundhütte, in der wir schlafen, eine Gemeinschaftsaktion, an der der gesamte Stamm mitgeholfen hat.
„Diese Häuser gibt es schon sehr lange. Sie stammen aus Zeiten, in denen sich nicht jeder eine eigene Behausung leisten konnte. So fanden all diejenigen ohne Obdach in diesen Gemeinschaftshäusern eine Herberge.“
Die kanaktische Matrix
Laura führt uns in ihren Garten. „Wir versorgen uns selbst, wo es geht“, sagt sie, „unsere schmalen Pensionen erlauben uns keine großen Einkäufe, der nächste Supermarkt ist viele Kilometer entfernt und wir haben kein Auto.“ Emile und ich helfen Laura bei der Tagesernte und staunen nicht schlecht über das, was die Erde hier hergibt: Zitronen, Limonen, Mandarinen, Orangen, Grapefruit, Mangos, Bananen, Ananas, Passionsfrüchte, Papaya, Himbeeren, Erdbeeren, Walderdbeeren, Kirschen.
Dann noch Yam, Taro – auch als Wasserbrotwurzel bekannt, Tapioka, Süßkartoffeln, Kakaobohnen, Maniok-Bisameibisch, Kürbisse, Kochbananen, Zuckerrohr, Chili, Tomaten, Karotten, Chinakohl, Zuckerschoten und Straucherbsen. 29 Bodenfrüchte umfasst das vegetarische Portfolio von Laura. Ein kleiner Teil davon landet später – gedünstet in Kokosmilch und ergänzt durch Brathähnchen – auf unseren Tellern.
Yam braucht etwa neun Monate zum Wachsen – genauso lange wie eine Leibesfrucht im menschlichen Körper
Ich erfahre, dass Yam nicht nur einfach ein Gemüse für die Kanaken ist. Die Wurzelpflanze ist tief in Geschichten, Kulte und Symbolik eingewoben. Yam braucht etwa neun Monate zum Wachsen – genauso lange wie eine Leibesfrucht im menschlichen Körper. Laura stoppt die Yam-Pflanzung, sobald die ersten Buckelwale in der Lagune gesichtet werden. Die erste Yam-Ernte des Jahres wird dem Häuptling überreicht, der sie verkostet. Vor ihm darf niemand davon essen.
Yam wird auch bei Zeremonien z.B. zur Geburt, Hochzeit oder Beerdigung verschenkt bzw. getauscht. Alles in der kanakischen Welt wird durch eine Matrix aus Bräuchen, Ahnen, Symbolen, Bedeutungen und Mythen zusammengehalten.
In der Kinderstube der Schildkröten
Nahe Bourail setzt mich Emile in einer Bucht an einem Häuschen ab, in dessen Garten etwa 15 Zelte unter Palmen verteilt sind. Genauso viele junge Leute laufen auf dem Gelände herum. Es sind Freiwillige des Schildkrötenschutzprogramms Bwärä, das von Emanuel Hernu, genannt Manu, initiiert worden ist.
Manu erklärt: „Wir setzen uns für den Schutz der Unechten Karettschildkröte (Careta careta) ein. Die Tiere dieser Bucht allein machen etwa 20 % der gesamten ozeanischen Population aus. Vor 200 Jahren gab es hier noch etwa 10.000 Exemplare, heute kommen in der Brutsaison von November bis März nur noch 50 Tiere. Das heißt, alle 20 Jahre sind 40 % der Population verschwunden. Höchste Zeit, etwas zu tun.“ Und wie stellt ihr das an? „Nun, die Schildkröten dürfen bei ihrer Eiablage nicht gestört werden. Licht und Lautstärke schrecken sie ab, daher haben wir entlang der Bucht eine lange Reihe dichter Bäume und Büsche gepflanzt, die lassen kaum noch Licht an den Strand.
Außerdem sind Strandparties und -feuer tabu. Unsere Freiwilligen hier laufen jede Nacht in der Brutzeit Patrouille am Strand. Falls eine Schildkröte auftaucht und Eier ablegt, dann vollends von unseren Freiwilligen geschützt. Sie verwischen auch alle Spuren, die die Schildkröten hinterlassen. Die Eier sind nämlich eine begehrte Spezialität und mancher zahlt einen hohen Preis dafür.“
Manu und seine Mannschaft haben noch mehr zu tun. Sie kümmern sich zudem darum, dass alle Süßwasserzuflüsse inklusive des großen Mangrovenareals hinter dem Strand möglichst sauber bleiben. „Die Mangroven sind die Kinderstube der Schildkröten und vieler anderer Arten. Doch Überdüngung und ungefilterte Abwässer von Viehzüchtern haben dem Wasser arg zugesetzt.“
Manu beklagt die zunehmende Eutrophierung durch Phosphate und Nitrate, diese ‚Übergrünung‘ und Veralgung der Gewässer raubt lebenswichtigen Sauerstoff für marine Lebewesen. „Hier bringen wir alle Einflussnehmer und -geber an einen Tisch: Farmer, Viehzüchter, Clanchefs, Behördenvertreter und sogar den Bürgermeister, insgesamt einhundert Menschen.“ Manu seufzt. „Du kannst Dir ja vorstellen wie lange es dauert, zu einer Entscheidung zu kommen. Aber wir geben nicht auf. Niemals.“
In Manu steckt eine permanente, leicht nervöse Grundspannung: das Feuer seines Kampfgeistes. Den braucht es, um Menschen wie Dinge anzutreiben. Spätabends, nach einem anstrengenden Aktionstag entdecke ich Manus weiche Seite. Er reibt sich die Augen: „Schau sie dir an, diese wundersamen Wesen.
Sie werden an diesem Strand geboren. Nur eine von tausend überlebt das erste Jahr. Sie paddeln über das offene Meer, 1.800 Kilometer, bis zum australischen Barriere Riff, wo sie in einem Radius von zehn Kilometern leben. Nach etwa 30 Jahren schwimmen sie hierher zurück, genau an den Ort, wo sie geboren wurden. Wir wissen nicht, wie und warum sie das anstellen. Dann legen die mittlerweile 150 kg schweren Weibchen ihre Eier ab – und der Kreislauf beginnt erneut. Faszinierend, oder?“
Jeder kennt das Wahrzeichen Neukaledoniens: das weltberühmte Herz von Voh, eine außergewöhnliche Schöpfung der Natur, die hier ein einzigartiges wie perfektes Herz ins Grüne formte.
Vier Monate nach meiner Rückkehr erhalte ich eine E-Mail von Manu: „2006 haben wir 42 Schildkröten an unseren Stränden gezählt, 2020 sind es 80 Exemplare und insgesamt 331 Laichplätze. Das ist ein gutes Jahr! Das zweibeste seit Bestehen von Bwärä.“ Wo ein Wille war, ist jetzt ein Weg.
Grünes Herz und blauer Abgrund
Wir heben ab. Meine Aufregung schwindet, pures Staunen setzt ein. Pilotin Rosy hebt die winzige italienische Zweisitzer-Maschine gemächlich über braue und grüne Felder. Dann werden Berge und das Meer sichtbar. Nach ein paar Minuten Sprachlosigkeit schiebt sich ein Herz ins Blickfeld.
Es ist das wohl berühmteste der Welt. Seine Bekanntheit ist dem französischen Fotograf Yann-Arthus Bertrand zu verdanken. Er hat es 1990 fotografiert, auf den Titel seines Bildbands DIE ERDE gepackt und millionenfach in alle Welt verkauft. Diese gerade mal vier Hektar große Fläche aus verschiedenen Mangrovenwäldern lässt niemanden unberührt. Rosy klärt mich auf: „Das Herz ist grüner geworden seit 1990. Die Mangroven haben mehr Nährstoffe und damit Farbe gewonnen – die gelben Flecken am Rande des Herzens sind fast verschwunden.“
Als wäre das nicht schon belohnend genug, sollte mich nur wenige Flugminuten später eine noch berauschendere Schönheit überfallen: Die größte Lagune der Welt, gleichzeitig das zweitgrößte Korallenriff überhaupt. Das Riff begrenzt die neukaledonische Lagune über 1.600 Kilometer. Die Lagune selbst umfasst 24.000 km2, was etwa der Größe Mecklenburg-Vorpommerns entspricht, und zählt mit seiner intakten Unterwasserwelt zu den schönsten Tauchrevieren der Welt. Über 9300 marine Arten, darunter Schildkröten, Seekühe, Rochen und etliche Fischarten, zählt das Riffs. Die Einzigartigkeit der Lagune erkannte auch die UNESCO und ernannte sie 2008 zum Weltnaturerbe.
Hier oben verliert sich jedes Maß.
Im Flieger selbst ist kein Mensch, kein Boot zu sehen im kilometerbreiten, türkis-schillernden und vom tiefblauen Pazifik umrahmten Naturpool. ‚Undertourism‘ nennen das die Reiseprofis. Ich wusste nicht, dass derart Schönes überhaupt existiert. Unter uns eine fremde, faszinierende Welt: tiefblaue Flächen, helle Korallentupfer, weiße Schaumkronen, Verläufe cremefarbener Plateaus und bunte Flecken.
Unser Ultraleichtflieger schunkelt wir ein kleines Raumschiff über eine fließende Leinwand voller leuchtender Farben. Ein Bio-LSD-Trip bei vollem Bewusstsein.
„Da vorne, siehst Du das?“ Rosy holt mich in die Gegenwart zurück. „Das ist das Blue Hole. 750 Meter breit. Unsere Tauchlegende Jaques Cousteau hat es dort nicht hinunter geschafft. Man nimmt an, dass der Grund des Lochs bei 150 Metern Tiefe liegt. “ Mag sein. Hier oben verliert sich jedes Maß. Wo das Maß fehlt, verschmilzt Betrachter und Betrachtetes. Tiefe Demut und Dankbarkeit erfüllen mich.
„Are you ok?“ will Rosy wissen. Ich schaue sie an, grinse und hebe meinen Daumen. Rosy weiter: „Hey, are you crying?“ Ich nicke. Rosy lächelt.
Irgendwann haben wir wieder festen Boden unter den Füßen. Rosy nennt mir die Flugzeit, irgendetwas lächerlich kurzes, was ich nicht glauben will. Mir kam alles wie eine Ewigkeit vor. Auf jeden Fall unvergesslich. Au revoir, Nouvelle Calédonie!
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