Erschienen in:
Deutschlands größtes Naturreise-Magazin
14 Seiten | Text & Fotos
Madeira – Fifty Shades of Green
Auf dem Weg zur Mietwagenabgabe an Madeiras Flughafen resümieren meine Frau Annette und ich die Highlights der Insel und ihrer kleinen Schwester Porto Santo: Auf Platz 1: dichte, gesunde Natur, größtenteils unter UNESCO-Schutz und schnell erreichbar: von Hauptstadt Funchal brauchen wir 28 Minuten bis zum Parkplatz am höchsten Punkt der Insel). Platz 2 ist kein Ort, sondern das, was Reisen auf Madeira so angenehm macht. Und das ist eine Menge: Keine Industrie, also zumindest kaum sichtbar. Kein Wild, was vors Auto laufen kann, überhaupt: keine gefährlichen Tiere. Unversehrte Autobahnen und Landstraßen, die Dank langer Tunnels nur wenig graue Streifen in die Landschaft zeichnen. Keine wahrnehmbaren sozialen Brennpunkte. Lange Tage mit starkem Licht: um 20 Uhr ist es noch hell wie in Deutschland um 16 Uhr. Kein Hupen. Keine Abzocke: In einer Pinte im Hochland von Madeira zahlten wir für 2 Cappuccinos, 1 großes Bier und eine Schachtel Zigaretten 7,50 Euro.
Kein Wild, was vors Auto laufen kann, überhaupt: keine gefährlichen Tiere.
Wer relaxte Strandtage möchte, der hüpft mit dem Flieger in 20 Minuten nach Porto Santo, regeneriert seine Wanderfüße in unvergleichlich weichen Thalasso-Sand, um sie dann samt Körper in glasklarem Wasser abzuwaschen. Überhaupt Wasser: Darauf und darin trifft man begeisterte Kiter, Taucher und Whalewatcher. Ich hab‘ die Freundlichkeit der Madeirer vergessen. Aber jetzt mal eines nach dem anderen.
Eine typische Levada-Wanderung: Nebulös, wolkenverhangen, wenig besucht.
Ich bin ja eher so der Adventure-Typ, bei mir muss es ordentlich zur Sache gehen. Körperlich. Ich mag Anstrengendes, ja, Extremes. Ein etwas anderes Extrem sind die Straßen Funchals. Die Stadt mutet wie ein Amphitheater an, durchzogen von abschüssigen, schmalen und kurvigen Straßen ohne Bürgersteige. „Wenn Du hier fahren kannst, kannst Du überall fahren.“, grinst unser Guido Fabio und drückt das Gaspedal durch. Straßensteile und Fliehkräfte pressen Annette und mich in unsere Sitze.
Fabio fragt uns, was der Grund ist, warum hier so viele Spiele vorzeitig abgebrochen werden müssen.
Wir passieren das Estádio de Madeira, das Fußballstadion, in dem der wohl berühmteste Sohn der Insel einst seine Flanken schlug: Christiano Ronaldo. Fabio fragt uns, was der Grund ist, warum hier so viele Spiele vorzeitig abgebrochen werden müssen. Wir raten, kommen jedoch nicht drauf. „Es ist das Wetter“, verrät Fabio, „manchmal hängen die Wolken so tief und dicht, das man nichts mehr sieht.“
Der Jeep rumpelt weiter über uraltes Kopfsteinpflaster, gesäumt nur von riesigen Eukalyptus- und Mimosenbäumen. Fabio erklärt: „Das hier ist ein Teil des ‚Caminho real‘, des ‚Königswegs‘. Schaut Euch mal die Steine an, über die wir fahren. Die sind wie Treppenstufen geformt, damit die Menschen, die damals Lasten transportierten, den steilen Weg besser hoch- und runtersteigen konnten.“ Damals ließen sich auch Reiche auf Sänften in die Berge tragen. Diese schmalen Pfade blieben bis weit ins 20. Jahrhundert hinein die einzigen Verbindungen, um von Süden nach Norden zu gelangen und Güter, Hölzer und auch Menschen zu transportieren.
Blick von der Wanderroute Vereda do Arieiro auf die Nordost-Küste.
Laurisilva – die Luft ist rein
Brav stapfen Annette und ich Fabio auf dem breiten Wanderweg hinterher. „Ich führe Euch jetzt entlang der Levada do Furado, einer der schönsten von 30 Wanderungen entlang unserer historischen Wasserkanäle.“ verspricht Fabio. Es geht ganz leicht abschüssig vorwärts. Kühl und feucht ist es – ganz im Gegensatz zu den wenigen Minuten zuvor, als wir noch über sonnenbestrahlte Serpentinen an riesigen Hortensien- und Ginstermeeren vorbei gekurvt sind. Angenehmer kann Wandern kaum sein. „Jetzt sind wir inmitten des Laurisilva Lorbeerwaldes. Das ist ein weltweit einzigartiges Naturreservat und seit 1999 sogar UNESCO Weltnaturerbe. Der Wald ist so dicht, steil und rutschig, dass viele seltene Pflanzen bis heute noch nicht erfasst und katalogisiert sind. Wir laufen in den nächsten Stunden etwa 17 Kilometer durch ein kleines Teilstück der 15.000 Hektar großen Schutzzone, die 20 Prozent der Insel einnimmt
Der Wald ist so dicht, steil und rutschig, dass viele seltene Pflanzen bis heute noch nicht erfasst und katalogisiert sind.
Vor der Inselbesiedelung im 14. Jahrhundert erstreckte sich Laurisilva fast über die gesamte Insel. Portugiesische Siedler fällten große Teile des Waldes. Damit errichteten sie Holbauten, entflammten Öfen von Zuckerraffinerien und schufen Masten und Planken für portugiesische Handelsschiffe.
Eine der wenigen Stellen, die einen unverstellten Blick auf den zauberhaften Lorbeerwald erlauben.
Neben der namensgebenden immergrünen Lorbeere sind hier unzählige weitere Pflanzenarten heimisch: Madeira-Mahagonie, Wacholder, Erika, Maiglöckchenbaum, Madeira-Heidelbeere, Baumheide, Stechpalme und Orchidee – um nur wenige zu nennen. Letztere ist ein Schmarotzer, die sich an Wirtspflanzen heftet und so seine Versorgung mit Wasser und Nährstoffen sichert. „Und die Baumheide, Erica arborea, ist das, was man heute als ‚Prepper‘ bezeichnen würde.“ berichtet Fabio weiter „Die Pflanze speichert an einem Tag bis zu 27 Liter Wasser pro Quadratmeter. Und gleich daneben ein Eukalyptusbaum. Die wurden im 15. Jahrhundert eingeführt. Der Baum wächst schnell. Das war wichtig für eine schnelle Holzproduktion. Das Holz wurde gebraucht für den Bau von Behausungen. Heute ist Eukalyptus eher ein Schädling, den er braucht sehr viel Wasser, welches den benachbarten Pflanzen fehlt. Darum sieht diese Erika auch ein wenig mickrig aus.“
„Und die Baumheide, Erica arborea, ist das, was man heute als ‚Prepper‘ bezeichnen würde.“
Bedingt durch Passatwinde und hohes Wolkenaufkommen wird der Laurisilva ständig mit Feuchtigkeit versorgt. Ein Teil davon wird von Bäumen und Pflanzen absorbiert und der erhebliche Rest geht als Regen, Nebel oder wie auch immer geartete Feuchtigkeit zurück in Kreislauf und landet alsbald in einer der Levadas, der typischen Wasserkanäle der Insel.
An vielen Rastplätzen picken Buchfinken liegen gebliebene Brotkrumen auf.
Ich frage Fabio nach dem eigentümlichen, spinnennetzartigen Flechten, die sich an vielen Ästen im Wind wiegen. „Das ist der ‚Old Man’s Beard‘, der ‚Altmännerbart‘, ja, eine Flechte, die ein Indikator für gute Luftqualität ist. Je mehr Du davon siehst, desto sauberer die Luft. Seit Covid ist der Altmännerbart länger geworden, das Fernbleiben von Mensch und Industrie scheint dem Wald gut zu bekommen.“ stellt Fabio zufrieden fest.
Viele Tiere finden im Lorbeerwald Schutz, von denen der Besucher am häufigsten wohl die frechen, fetten Buchfink sieht, ansonsten bleibt die Fauna schüchtern. Für Zoologen dürfte es interessantere Destinationen geben, aber Pflanzenforscher und Blumenfans kommen hier voll auf ihre Kosten.
„Seit Covid ist der Altmännerbart länger geworden“, stellt Fabio zufrieden fest.
Aufgrund des dichten Bewuchses und der oft wolken- und nebelverhangenen Sicht fällt es uns schwer, uns ein Gesamtbild dieses zauberhaften Biotops zu machen. Zudem erstreckt sich der Wald auf Höhenlagen zwischen 300 und 1300 Metern. Schwindelfrei müssen sie gewesen sein damals, denke ich mir, als wir viele der sehr schmalen Passagen überwinden, die erst seit wenigen Jahren durch Drahtgeländer gesichert sind. Immer wieder geht es dicht am Fels vorbei – oder gleich direkt hindurch.
Blick unterhalb des Miradouro do Curtado im Nordosten der Insel.
Kanal voll: Begegnung mit einem Levadiero
Madeira hat Generationen von Tunnel- und Wasseringenieuren geschaffen. Sie durchbohrten die Insel mit Gräben, Einschnitten, Passagen, Brücken und Löchern jedweder Länge. Auch die historischen Wasserkanäle Madeiras, die Levadas, sind dieser Ingenieurskunst zu verdanken. Die Levadas stellen auch heute noch die gesamte Wasserversorgung der Inselbewohner sicher.
An der nächsten Biegung unserer Wanderung erblicke ich einen Mann, der mit einer Machete hochgewachsene Pflanzen abhackt. Wir kommen, Dank Fabios Übersetzung, ins Gespräch. Der 54jährige Jose Spinola arbeitet seit über 10 Jahren als Levadiero, eine Art Hausmeister der Wasserkanäle. Seine Aufgabe ist es, eine bestimmten Teil des über 2.200 Kilometer langen Wasserkanalnetzes in Schuss zu halten. Dazu zählt auch die Pflege der Kanalränder, so dass möglichst keine Pflanzen, Äste und sonstigen Fremdkörper in die offenen Kanäle fallen.
Das uralte System namens ‚Geiro‘, übersetzt ‚Ziffernblatt einer Uhr‘ stellt die gerechte Wasserverteilung sicher.
Sein Arbeitstag beginnt um 4 Uhr morgens, dann läuft er sein Revier ab, etwa 16 Kilometer, die sich zwischen Null und 1.200 Metern Höhe erstrecken. All das Wissen über seinen Job hat er mündlich erfahren, das Meiste von seinem Vorgänger. Eine weitere Aufgabe ist die regelmäßige Wasserverteilung bzw. -versorgung. Auch Fabio bezieht für die Bewässerung seines Grundstücks Wasser aus einer Levada. Das uralte System namens ‚Geiro‘, übersetzt ‚Ziffernblatt einer Uhr‘ stellt die gerechte Wasserverteilung sicher. Je nach Größe des Grundstücks und entrichteter Wassergebühr erwirbt man das Recht, ein bestimmtes Wasservolumen zu beziehen. Dieses Wasservolumen wird in eine Stundenanzahl umgerechnet, für die der Levadiero an seiner Verteilerstation das Wasser an Fabio umleitet. Der speichert das Wasser wiederum in einem Tank, um es schließlich für Gartenbewässerung und im Haushalt zu verwenden.
Der 54jährige Jose Spinola arbeitet seit über 10 Jahren als Levadiero, eine Art Hausmeister der Wasserkanäle.
Am Ende der Wanderung passieren wir ein großes Wasserreservoir, dessen hellgraue Wände sich nicht gerade harmonisch in die Natur einfügen. Fabio erklärt: „Das Wasser aus den Bergen wir in diesen großen Becken gesammelt. Dann jagt man es durch abschüssige Rohre, in denen stromerzeugende Turbinen angetrieben werden. Das Wasser wird weiter unten in einem weiteren Reservoir aufgefangen, von wo es dann in die Bewässerungskanäle und auch in Trinkwasserkanäle weitergeleitet wird.“
Steilgehen
Auf dem Weg zurück ins Hotel schlägt Fabio mit dem Jeep einen anderen Rückweg ein. Offensichtlich haben Annette und ich uns auf der Wanderung ganz gut angestellt und wir haben noch ordentlich Zeit übrig. Wir durchqueren kleine Dörfer an viele hundert Meter hohe Felsmauern. Ich bewundere die Schwindelfreiheit der Madeirer, die nahezu jeden noch so kleinen Felsvorsprung mit Nutzpflanzen kultiviert haben: Kartoffeln, Erdbeeren, Lauch, Kohl, Salat, Zwiebeln, Tomaten, Süßkartoffeln, Zuckerrohr und Bananen werden dort geerntet.
Sein Arbeitstag beginnt um 4 Uhr morgens, dann läuft er sein Revier ab, etwa 16 Kilometer, die sich zwischen Null und 1.200 Metern Höhe erstrecken.
In Santo António da Serra erlaubt mir ein Madeirer, sein Portrait inklusive enormer Rückenlast aus abgeschnittenem Gras. Das ist ein Leckerbissen für Kühe, Ziegen und Schafe, die sich alle ein bis zwei Tage daran laben können. Mich beeindruckt die physische Festigkeit des Madeirers, er scheint, wie viele andere seines Alters, noch recht flink unterwegs und beweglich zu sein. Ich lerne, dass die tägliche, stundenlange Bewegung in Wäldern und auf Feldern gehörig auf die Gesundheit einzahlt. Im Vergleich zum portugiesischen Festland erfreuen sich die Madeirer einer signifikant höheren Lebenserwartung und Lebenszufriedenheit.
Manche Madeiraweine können nach 150 Jahren noch einwandfrei genossen werden. Es heißt, je älter der Madeira, desto weicher, holziger, würziger, nussiger und vanilliger sein Bouquet.
Heute ist Pausentag, die Wanderstiefel können auslüften. Unser Weg führt uns in die Blandy Destillerie im Zentrum Funchals, ein Epizentrum des Madeira-Likörgenusses. Auf knarrenden Holzdielen schleichen wir in verdunkelten Räumen an großen Eichenfässern vorbei. In ihnen verdunstet über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg allmählich das Wasser, wodurch die Weine intensiver werden und veredeln. Der Madeira ist ausgesprochen lange haltbar. Manche können bis zu 150 Jahre lagern und einwandfrei genossen werden. Es heißt, je älter der Madeira, desto weicher, holziger, würziger, nussiger und vanilliger sein Bouquet.
Madeirawein war ein Produkt des Zufalls.
Seit vielen Hundert Jahren werden bei Blandy exzellente Tropfen hergestellt. Madeira Wein oder Likör eignet sich hervorragend als trockener Aperitif oder süßer Digestif. Auch wir kommen bei einer Verkostung in den Genuss. Eine Expertin verrät uns: „Der Alkoholgehalt eines Madeira liegt zwischen 17 und 22 Prozent, je nach Sorte. Madeirawein war ein Produkt des Zufalls. Er entstand aus Portwein, den die Destillen mit reinem Alkohol anreicherten – für eine bessere Haltbarkeit auf den langen Transporte nach Amerika und Fernost.“
Auf dem Seeweg waren die Fässer dann großer Hitze ausgesetzt. Dieser chemische Oxidationsprozess, heute bekannt als Weinaufwärmung, hatte ein überraschend wohlschmeckendes Ergebnis, welches von da an Salons, feine Gesellschaften und Anlässe in aller Welt bereicherte. Madeira-Gläser wurden zum Toast auf die amerikanische Unabhängigkeitserklärung erhoben sowie für die Vereidigung George Washingtons. Auch heute noch ist der Likör begehrt: Blandy produziert jährlich eine Million Liter, von denen 70% exportiert werden. Einen ganz kleinen Teil davon nehmen wir mit nach Deutschland.
Immer wieder bietet das karge Hochland fantastische Ausblicke über die getaffelte Landschaft.
Barfuß schreite ich über feuchten, weichen moosigen Grasboden, eine leichte kühle Brise weht mir um die Nase. Ich nähere mich dem Ende des grünen Abhangs. Die Brise nimmt zu, gespeist aus der kalten Luft, die von der einige Hundert Meter tiefer liegenden Küste nach hier heraufsteigt. Hinter ein paar Felsen geht es senkrecht hinunter, ich mache kehrt, tauche unter den windschiefen Ästen eines Tils durch, einem Lorbeerbaum, der viel von der Feuchtigkeit auffängt.
Der Til ist mit bis zu 40 Metern Höhe der größte Baum des Lorbeerwaldes und wächst gerne in den oberen Zonen bis 1.500 Metern. Hier hat er Platz genug, um mächtige Äste und Kronenformen auszubilden. Ich male mir aus, wie schön die Bäume im Morgennebel aussehen, gespenstisch, mystisch, langarmigen Riesen gleich.
Fanal, jetzt bist Du mein Madeira-Lieblingsplatz.
Die Sonne brennt, wir rasten im Schatten neben einem Til, betten unsere Rücken auf dickem Grund, schließen die Augen. Insekten schwirren vorbei, der Wind spielt ein leises Lied, in der Ferne quaken Frösche – ein Soundtrack zum Meditieren.
Wir verweilen. Irgendwann erheben wir uns, taumeln Arm in Arm grinsend und wortlos zum Auto zurück, um einige Stufen gelassener. Fanal, jetzt bist Du mein Madeira-Lieblingsplatz.
Fanal: Der Til ist mit bis zu 40 Metern Höhe der größte Baum des Lorbeerwaldes. Hier hat er Platz genug, um mächtige Äste und Kronenformen auszubilden.
Gesund gestrandet auf Porto Santo
Sofia steuert ihren Land Rover über eine staubtrockene Steinpiste zum 517 Meter hohen Aussichtspunkt Pico do Facho, von dem wir Porto Santo und die kleine unbewohnte Nachbarinsel Ilhéu da Cal überblicken. „Wir haben keine Flüsse. Und damit nichts, was den Dreck ins Meer schwemmt. 80 Prozent des Abwassers wird aufbereitet. Und so freuen wir uns…“ jetzt erhellt sich Sofias Gesicht, „…über kristallklares, türkisblaues Meereswasser!“ Überhaupt hat sich die Insel der Nachhaltigkeit verschrieben. Das Projekt „Smart Fossil Free Island Porto Santo“ widmet sich der Idee, die weltweit erste Insel zu werden, auf der fossile Brennstoffe mit Hilfe von Elektroautos und einem intelligenten Stromnetz verbannt werden. Dazu werden Anschaffungen von E-Autos mit bis zu 10.000 Euro subventioniert.
Einmal mussten die Inselbewohner zwölf Jahre ohne einen Tropfen Regen auskommen.
Porto Santo ist ein trockenes Pflaster. Die Berge sind nicht hoch genug, um Regen einzufangen. Einmal mussten die Inselbewohner zwölf Jahre ohne einen Tropfen Regen auskommen. Diese Not macht erfinderisch. Trinkwasser und Strom wird schon seit Langem aus Salzwasser gewonnen. Dank einer utopisch wirkenden, riesigen Meerwasserentsalzungsanlage, der fünften weltweit. Das Wasser blubbert dort haushoch durch unzählige transparente Röhren.
Die Insel hat aber nicht nur Sehenswürdigkeiten für Umwelttechniker, auch Naturfans und Erholungssuchende kommen auf ihre Kosten. Denn Porto Santo hat etwas, was ihrer großen Schwester völlig fehlt: Sandstrand. Der hat sogar heilende Wirkungen. Er lindert Rheuma, Haut-, Gelenk- und Muskelerkrankungen ‑ wissenschaftlich belegt. Der Heilsand ist reich an Magnesium, Kalzium, Schwefel, Phosphor und entzündungshemmendem Strontium. Ein Spaziergang durch das feine, glatte Puder ist eine Wohltat für unsere Füße, eine Fußreflexzonenmassage zum Selbermachen, bis zu neun Kilometer lang.
Porto Santo: Die unbewohnte Nachbarinsel Ilhéu da Cal.
Seit dem 28. Oktober 2020 darf sich die Insel Porto Santo offiziell als von der UNESCO klassifiziertes Biosphärenreservat ausweisen. Von den mehr als 1.600 Arten, die die Insel zählt, existieren 15 Pflanzenarten einzig auf dem 42-Quadratkilometer großen Eiland.
Die ersten Siedler Porto Santos fanden eine bewaldete Insel mit vielen Drachenbäumen, Wacholder und Baumheide vor. Davon ist heute nichts mehr zu spüren, die Insel ist weitgehend baumlos, wenn nicht kahl. Christoph Kolumbus hat eine Zeit lang auf Porto Santo gelebt, die Tochter des Gouverneurs geheiratet und seinen Amerika entdeckungsplan geschmiedet. Davon zeugt noch das „Casa Museu Cristovão Columbo“, ein Museum in dem Haus, von dem man annimmt, dass der Entdecker darin wohnte.
Der mittlerweile 95jährige verkauft auch heute noch das berühmte Eis namens Lambeca.
Sehenswerter und lebendiger ist dagegen die Werkstatt und Galerie der Künstlerin Vera Menezes, von der Sofia sagt, sie schenke den Dingen ein zweites Leben. Aus Strandgut, Muscheln und Plastik schaffen Vera und ihr Lebensgefährte kleine Kunstwerke, viele von ihnen haben die Einzigartigkeiten Porto Santos als Gegenstand oder gar Motiv: die kleinen Caracois-Schnecken, Windmühlen oder Softeis. Softeis? Ja. Die bekannteste Softeisdiele Portugals wurde 1958 von João dos Reis Leão in der Vila Baleira gegründet. Der mittlerweile 95jährige verkauft auch heute noch das berühmte Eis namens Lambeca. Kenner schwören auf die Version, die der über 50 Jahren alten Eismaschine entstammt.
Porto Santo: Annette bestaunt die Basaltformation am Südhang des Pico de Ana Ferreira
Nach dem Eisgenuss geleitet uns Sofia zum geologischen Highlight der Insel. Es ist die Basaltformation am Südhang des Pico de Ana Ferreira. Die verblüffend regelmäßig angeordneten, nahezu gleichgroßen sechskantigen Steinsäulen erstaunen uns. Früher dachten Menschen, dass dies das Werk von mystischen Wesen sein müsse. Lange war Wissenschaftlern der Entstehungsprozess strittig. Erst nach 2010, als Forscher mit erstarrter Lava des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull experimentierten, konnte man die Basaltbildung nachvollziehen. Nur ein sehr geringer Teil der Basaltformation ist überhaupt einsehbar. Es scheint, als habe eine Absprengung eines Felsenstücks den Blick auf die darunter liegenden Säulen erst freigegeben.
Manche sagen, es fehle den Inseln an Superlativen. Wer das nicht weiß, dem ist es egal. Denn Madeira und Porto Santo bieten für das perfekte Soft-Adventure-Urlaubsglück mehr als genug Abwechslung, Entspannung, Kontraste, Freundlichkeit und Natur.
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