Erschienen in:
Deutschlands größtes Naturreise-Magazin
Titelstory | 12 Seiten | Text & Fotos
Baumlöwen und Affentheater
Im grünen Herzen Afrikas wachsen Berge aus dem Regenwald, klettern Löwen auf Bäume und wildes Affentheater ist garantiert. Uganda ist eine wahre Sensation. Die „Perle Afrikas“ überrascht mit einer Fülle traumhafter Landschaften, beeindruckendem Tierreichtum und äußerst gastfreundlichen Menschen.
„Vriouuu, vriouuu, vizzz! Tschwit, tschwit!“ Etwa dreißig schwarz-gelbe Kurzflügelweber zetern, tschilpen und schimpfen in der Morgendämmerung. Im Eukalyptusbaum neben meinem Zimmer arbeiten sie nervös an ihren kokonartigen Nesthöhlen, die mich an Designerlampen erinnern. Aufgeregt flattern sie herum und scheinen ihre Artgenossen anzufeuern, zu verscheuchen oder zu beschimpfen.
Es soll schlammig, steil und rutschig werden, begleitet von Regen, Wind und Kälte.
Auf jeden Fall beenden sie meine Nachtruhe. Ihre lautstarke Vorstellung in aller Frühe lindert meine Aufregung ein wenig, denn heute, nur einen Tag nach meiner Ankunft in Uganda, steht direkt die anstrengendste Tour der Reise auf dem Programm: ein Aufstieg über 1.150 Höhenmeter.
Es soll schlammig, steil und rutschig werden, begleitet von Regen, Wind und Kälte. Viele würden die Strapazen unterschätzen, las ich. Pah, dachte ich. Doch ich sollte mich noch wundern. Aber erst einmal sollte ich wandern.
Emburara Farm, früher Morgen: John Karuhanga (60) ist mit seinen Ankolerindern eng verbunden, er kennt Namen, Alter und Abstammung jedes der 45 Tiere.
Auf dem Gelände des Ruwenzori Trekking Services, wo ich als einziger Gast nächtigte, schultern Mumbere Modesto und Masereka Zalimon Ausrüstung und Verpflegung für drei Tage. Der vierte Mann ist Guide Stephen Kulé. Von ihm lasse ich mich einweihen in die fantastische Flora und Fauna des drittgrößten und wohl unbekanntesten Gebirges Afrikas.
Ein Gebirge, ein ganzes Weltnaturerbe für uns allein?
Nach zwei Stunden Marsch erreichen wir den Eingang des Ruwenzori Nationalparks. Der Wächter verrät uns, dass wir die einzigen Besucher sind. Wo gibt’s denn so was? Ein Gebirge, ein ganzes Weltnaturerbe für uns allein?
Zehn Minuten später verschlingt uns die Natur. Gesänge von drei, vier Vogelarten liegen ständig in der Luft, nur unterbrochen vom Rauschen der Flüsse, die die gewaltigen Wassermassen des Ruwenzori ableiten. 320 Tage im Jahr regnet es hier. Ruwenzori heißt in der ugandischen Volkssprache „Regenmacher“, und das Ruwenzori-Gebirge gilt weltweit als Region mit der dichtesten Vegetation.
Das Rwenzori – eine der fantastischten Landschaften, die ich je durchstreifte – dabei durchwanderte ich nur einen sehr kleinen Teil, meistens, so wie hier, primären Regenwald. Im Bild zu erkennen sind Narben von Erdrutschen. Permanenter Regen unterspült das sehr steile Gelände, täglich prasseln Felsbrocken talwärts.
Prompt setzt Regen ein. Ich streife meinen Poncho über.
Der Weg wird steiler, ich keuche. Bald kann ich zwischen Schweiß und Regennässe nicht mehr unterscheiden. Ein gewaltiges, krachendes Rauschen erfüllt die Luft. „Ein Erdrutsch“, erklärt Stephen, „daran wirst du dich gewöhnen. Die Hänge sind hier so steil und nass, dass es ständig zu Erdrutschen kommt. Aber unser Weg ist sicher.“
Der Regen lässt nach und ich streife den Poncho wieder ab.
Die klatschnassen, scharlachroten Blüten der Sumpfspaltgriffel blitzen aus dem unendlichen Grün. Ein Geräusch lässt uns innehalten. Wir recken die Köpfe und lauschen. Ein erster Primat, eine Östliche Vollbartmeerkatze, huscht hoch über uns in einem Baum. Leider keine Chance auf ein Foto: Zu viele Äste zwischen ihr und meinem Teleobjektiv.
„Die Wilderei hat während Covid-19 stark zugenommen, deshalb sind die Primaten sehr scheu geworden.“
Stephen berichtet: „Die Wilderei hat während Covid-19 stark zugenommen, deshalb sind die Primaten sehr scheu geworden. Das gilt aber nicht für die Vögel. 217 Arten gibt’s im Ruwenzori, davon sind 17 endemisch.“
Abschied aus Uganda: Ein letzter Blick über die Kulturlandschaft mit Yam-, Tomaten-, Bohnen- und Kartoffelfeldern. Im Hintergrund der ruandische Vulkan Karisimbi (höchste Erhebung) und rechts daneben der Mikeno (Kongo).
Dann mustert er mich. „Kannst du vielleicht dein T-Shirt wechseln? Knallige Farben sind bei Vogelbeobachtungen eher ungünstig.“ Ich schlüpfe in etwas Schlammfarbenes, aber leider: Trotz neuer Kluft haben wir kein Glück. Zwar kreuzt ein Edelfrankolin unseren Weg, er verschwindet aber blitzschnell im Dickicht.
Den endemischen Grünflügelbülbül können wir hören, aber nicht entdecken. Gleiches gilt für den Ruwenzorirötel, Farncistensänger und Einsiedlerkuckuck. Es ist zum Haareraufen, ich krieg’ sie einfach nicht vor die Linse! Ich weiß, als Naturfotograf sollte ich über eine gewisse Frustrationstoleranz verfügen, aber hier wird sie auf eine schwere Probe gestellt.
Jeder Vogel – egal ob auf meiner Speicherkarte oder nicht – ist ein Geschenk.
Wenig später klart es auf. Sonnenstrahlen flackern vereinzelt durch die Wolkendecke. Und dann endlich: Wir erspähen erst einen Grauwangen-Hornvogel, dann einen Bergwaldbülbül.
Was für wunderschöne Geschöpfe! Meine Speicherkarte füllt sich. An einer überwachsenen Lichtung nähert sich uns ein Mangrovenbrillenvogelpärchen, angelockt durch Stephens Rufe. Es sind entzückende Tiere. Ich entspanne mich und beginne zu verstehen: Jeder Vogel – egal ob auf meiner Speicherkarte oder nicht – ist ein Geschenk.
Wolkenverhangen, menschenleer, naturgewaltig – so erlebe ich das Rwenzori. Guide Stephen Kule stammt aus einem Dorf am Fuße des Rwenzori, er steckt mich an mit seiner Obsession für Berge – und insbesondere Vögel.
Schließlich erreichen wir nach mehrmaligem „Poncho an, Poncho aus“ und Stunden steilen Aufstiegs über Felsbrocken, Wurzeln und Morast auf 2.600 Metern Höhe unser Domizil für die Nacht, die Sine Hut. Das Lager besteht aus ein paar Holzverschlägen, die verstreut unter hohen Bäumen auf einem schmalen Grat stehen.
Mumbere und Masereka kochen ein köstliches Mahl aus Kartoffelstampf, Maniok, Fleisch und Kohl. Gleich danach verziehe ich mich in eine der Hütten und schlafe sofort ein.
Märchenwald mit Riesenpflanzen
Am nächsten Morgen macht sich mein linkes Knie bemerkbar, es schmerzt, wenn ich bergab gehe. Zum Glück steigen wir bald wieder auf und betreten die „Heather Zone“. Hier dominiert das Heidekraut Erika und neigt zum Riesenwuchs: Die baumartigen Sträucher können bis zu acht Metern hoch wachsen.
„Diese Pflanze hilft gegen Schlangenbisse. Außerdem nutzen unsere Schamanen sie, um Dämonen aus Besessenen zu vertreiben.“
Immer wundersamer öffnet sich die Landschaft. Bartflechten wehen im Wind, neugierig nähert sich ein putziger Ruwenzorischnäpper, Wolkenschwaden wabern über die Hänge. Stephen deutet auf die feuerrote Blüte einer Scadoxus-Blutblume, einem halbkugeligen Puschel aus Hunderten Stacheln und Stängeln: „Diese Pflanze hilft gegen Schlangenbisse. Außerdem nutzen unsere Schamanen sie, um Dämonen aus Besessenen zu vertreiben.“
Ich denke an mein Knie. Ob man damit vielleicht auch die Schmerzen austreiben könnte?
In drei Tagen hatte ich nur einmal klare Sicht auf den Stuhlmann-Nektarvogel, einer von 17 endemischen Vogelarten des Rwenzori.
Wir scheuchen einen Ruwenzoriturako auf, erblicken seine knallroten unteren Flügelfedern. Nicht weit von uns entfernt lässt er sich nieder und wir können ihn in Ruhe bestaunen.
Dann beginnt eine neue Vegetationszone, die Bambuszone. Jetzt geht eine wahre Vogelshow ab: Binnen Minuten präsentieren sich Zimtflügel-Star, Bergwaldbülbül, Braunwangen-Laubsänger und der Königsnektarvogel – so bunt als wäre er in einen Tuschkasten gefallen.
Nach sieben Kilometern Marsch nähern wir uns dem Kalalama Camp auf 3.153 Metern, dem höchsten Punkt der Exkursion. Ab jetzt geht es nur noch bergab. Stephen bemerkt meinen vorsichtigen Gang beim Absteigen, dann schnitzt er mir einen Wanderstock.
Nahe des Weges erkenne ich durch meine Telelinse eine Diademmeerkatze.
Alle paar Minuten stoppe ich, um meinem linken Knie eine Erholung zu gönnen. Ich erinnere mich an den Tipp eines bekannten Sportmentaltrainers: Keine negativen Äußerungen, niemals. Das würde alles nur verschlimmern.
Heißt für mich: Kein Jammern oder Fluchen! Stattdessen konzentriere ich mich auf die kleinen und großen Wunder um mich herum. Ich spüre die feuchte Luft auf meiner Haut, beobachte das Wiegen der Blätter im Wind, genieße die endlosen Spielweisen der Natursymphonie. Nahe des Weges erkenne ich durch meine Telelinse eine Diademmeerkatze.
Hoch oben in einem Baum im Kibale Nationalpark genießt dieser Schimpanse die ersten Sonnenstrahlen nach einem Platzregen.
Treffender finde ich die englische Bezeichnung für den Primaten mit dem edlen, bläulich schimmernden Fell: Blue Monkey, blauer Affe.
Glückstag mit Baumlöwen
Mein Ruwenzori-Schnupperkurs ist heute schon zu Ende. Wehmut erfasst mich. Ich habe weder die berühmten Riesenlobelien noch die Seen und Gletscher gesehen, von den eisbedeckten Gipfeln, den legendären „Mondbergen“, ganz zu schweigen. Ich werde wohl wiederkommen müssen. Selten hat mich die Natur derartig in ihren Bann gezogen wie hier.
Stephen läuft vor mir, hebt die Hand, führt dann den Zeigefinger zum Mund. Wir lauschen. Ich zähle neun verschiedene Vogelstimmen, Stephen identifiziert fünf endemische Arten. Ein Ruwenzori-Sonnenhörnchen, ein lokales Eichhörnchen, huscht einen Baumstamm hoch.
Wir erreichen unseren Ausgangspunkt, die Lodge vom Ruwenzori Trekking Service, wo mein Fahrer Brian Owach mich strahlend empfängt. Wir machen uns gleich auf den Weg, denn heute heißt es Strecke machen. Mit Brian ist es keine Sekunde langweilig. Wir palavern über Gott und die Welt, die Familie und unser beider Passion, das Schlagzeug.
„Wir müssen uns beeilen, wir machen ja noch einen Game Drive.“
Die Landschaft wechselt von schlammbraun zu grün. „Willkommen im Queen Elizabeth Nationalpark!“, strahlt Brian.
Und schon sehe ich die ersten Elefanten, etwa 50 Meter neben uns im Busch. Eine Südliche Grünmeerkatze wechselt vor uns die Seiten, Anubispaviane lungern am Wegesrand, dann ein spektakulärer Blick auf den Lake Edward.
So gut wie kein Verkehr auf der Schotterpiste, dafür Schwarzschopfkiebitz, Sperbergeier, Fischadler, Waran, grüne Weiten, Bergrücken am Horizont. Wir wollten nur Strecke machen? Hah, diese Strecke ist ein Geschenk!
Der Queen Elizabeth Nationalpark ist einer der wenigen Orte weltweit, wo Löwen tagsüber auf Bäume steigen. Dieses Löwenmännchen unterbricht kurz seinen Schlaf, blickt mich an, und dämmert ein paar Augenblicke später wieder weg.
Doch Brian drückt aufs Gaspedal: „Wir müssen uns beeilen, wir machen ja noch einen Game Drive.“ Bitte was? Game Drive? „Ja, wir sind um 17 Uhr angemeldet am Ishasha Sector Gate.“ Ein Game Drive ist eine Wildtier-Beobachtungsfahrt.
Tja, ich hätte wohl mal den Reiseplan lesen sollen.
Am Gate wartet schon ein Land Rover mit Guide. „Macht euch keine Hoffnung auf Baumlöwen“, dämpft er sofort unsere Erwartungen. „Ich war die letzten zwei Wochen jeden Tag hier und hab’ keinen einzigen gesehen. Die sind sicher in den Kongo abgehauen.“ Das Tor öffnet sich, zehn Minuten später steuern wir im herrlichsten Spätnachmittaglicht einen alleinstehenden, riesigen Feigenbaum an. Ich erkenne in den Ästen zwei hellbraune, massige Körper: schlafende Löwen!
Brian steuert jetzt eine Felsenklippe an, wo ein zweites Fahrzeug wartet. „Zeit für einen Sundowner“, sagt er lächelnd.
Forscher vermuten, dass die Baumlöwen, von denen nur zwei Populationen auf der Welt existieren, sich so vor lästigen Insekten am Boden schützen, vom Wind kühlen lassen und besser in die Ferne blicken können. Ich staune über die riesigen Köpfe der Tiere und ihre gut gefüllten Plauzen, die zwischen den Ästen herunterhängen.
Minuten später beobachten wir Impalas bei ihren Balzspielen. Es folgen Gnus, Ellipsen-Wasserböcke und Leierantilopen. Es ist die reine Pracht! Nichts davon habe ich erwartet.
Brian steuert jetzt eine Felsenklippe an, wo ein zweites Fahrzeug wartet. „Zeit für einen Sundowner“, sagt er lächelnd.
Ein Klapptisch ist bereits gedeckt. Kühles Bier läuft meine Kehle hinab, unter uns im Tal zieht ein einzelner Elefant vorbei, die Sonne versinkt hinter den Virungabergen. Ich bin kein Romantiker, aber das hier…
Abendstimmung am Lake Mutanda.
Als es dunkel ist, führt der Manager der Enjojo Lodge Brian und mich von der Klippe hinunter zum Restaurant der Lodge. „Ihr seid heute meine einzigen Gäste“, sagt er. Auf dem Rasen neben der Terrasse sehe ich eine große Menschenmenge. Ein älterer Mann tritt auf mich zu, sein Englisch ist undeutlich, ich verstehe nur „Waisenhaus“ und „Musik“.
Dann geht es los: Etwa achtzig Kinder und junge Erwachsene singen, trommeln und tanzen sich die Seele aus dem Leib. Ich bin sofort angesteckt und lasse mich von den Wogen dieser Freude davontragen. Ich strahle Brian an, erkenne ihn kaum wegen der Tränen in meinen Augen.
Einst verliebte sich Aubreys Großvater in dieses abgelegene Stück Land mit herrlichem Blick auf den Kratersee Nyinambuga und gründete hier eine Teeplantage.
Brian strahlt zurück und ruft: „That’s the rhythm of Africa!“ Verstehen lässt sich das nicht mehr, aber fühlen: pure Energie, Ausgelassenheit und Ekstase.
Blick auf den Kratersee
„Hello, I’m Aubrey.“ Mit einem strahlenden Lächeln begrüßt uns Aubrey Price, der Besitzer der Ndali Lodge, einer der schönsten Unterkünfte Ugandas.
Die Lodge liegt nicht weit entfernt vom Kibale-Nationalpark, der die meisten Schimpansen Afrikas beherbergt. Einst verliebte sich Aubreys Großvater in dieses abgelegene Stück Land mit herrlichem Blick auf den Kratersee Nyinambuga und gründete hier eine Teeplantage. 1973 vertrieben ihn die Schergen von Diktator Idi Amin aus Uganda. Zuhause in Yorkshire schwieg die Familie über den Vorfall.
Einer der Höhepunkte jeder Uganda-Reise: Besuch bei den Berggorillas im Bwindi Impenetrable Forest. Nur eine Sekunde nach dieser Aufnahme verschwindet das sechs Monate alte Gorillababy uneinsehbar im Schatten eines Busches.
Erst mit achtzehn Jahren erfuhr Aubrey davon. Als Uganda dann ein Rückeignungsprogramm verabschiedete, siedelte er um. Zehn Monate lebte er in einer einfachen Hütte und einigte sich mit den Mais- und Bananenfarmern, die nun auf dem Areal der Plantage seines Großvaters lebten. „Ich mag Menschen, ich mag Schimpansen und ich mag den völligen Neubeginn. Also bin ich geblieben.“, erklärt Aubrey.
Mit der Hilfe von Investoren baute er die Lodge, die 1996 eröffnete. Heute betreut Cousine Lulu den Landwirtschaftsbetrieb, während seine Frau die örtliche Schule managt.
Beim Mittagessen unter der Pergola erzählt Aubrey Anekdoten vom letzten Investorentreffen in Yorkshire, während wir die köstlichen hausgemachten Tortellini verspeisen.
In der Bar der Lodge hätte ich endlos verweilen können, mit ugandischen Waragi-Rum in der Hand, auf historische Stiche blickend und Geschichten lauschend.
Aubrey weiß, wie man Gäste unterhält, das lernte er als Kneipenwirt in Yorkshire. Mit seinem gelben Poloshirt und den rosa Socken ist er ein Paradebeispiel für den sympathischen, exzentrischen Briten. In der Bar der Lodge hätte ich endlos verweilen können, mit ugandischen Waragi-Rum in der Hand, auf historische Stiche blickend und Geschichten lauschend.
Was für ein Affentheater
Entferntes Gekreische, hoch in den Bäumen. Wir hören die Schimpansen, sehen sie jedoch nicht. Es regnet. Wir stapfen weiter durchs Unterholz, angeführt von Sarah Nemigisha, Wildhüterin des Kibale-Nationalparks, der mit dreizehn Primatenarten und elf Prozent aller Vogelarten Afrikas zu den artenreichsten weltweit zählt.
Dann raschelt es direkt über uns, Schatten huschen und springen von einem Baum zum nächsten. Wieder ein Schrei, der sich zu einer vielstimmigen Kakophonie steigert. „Da streiten sich wohl welche um ein Weibchen“, kommentiert Sarah. Nicht alle mischen mit.
Inmitten des Teeanbaugebiets von Uganda. Bei fast jedem Fotostopp werde ich rasch von neugierigen wie freundlichen Kindern umrungen.
Einige knabbern Früchte hoch in einem Zürgelbaum, gähnen, trocknen ihr Fell in der Sonne, die nun wieder scheint. Ein Schimpanse ruht auf dem Waldboden und lässt sich wie ein Model fotografieren. „Das ist Enfuzi , einer der Gruppenführer“, erklärt Sarah, die alle Tiere mit Namen kennt. „Er ist sehr neugierig und mag Besucher.“
Was uns hier vergönnt ist zu beobachten, hat über acht Jahre Eingewöhnungszeit gekostet. Die sogenannte Habituation der Schimpansen dauert etwa doppelt so lange wie bei Berggorillas.
Über 1.450 Schimpansen in 13 Großgruppen leben im Kibale-Nationalpark. Nur zwei Gruppen sind habituiert für Besuchergruppen von maximal sechs Personen und einer Interaktionszeit von einer Stunde. Eine Gruppe beansprucht ein Habitat von etwa 35 Quadratkilometern.
Auch das für Menschen gefährlichste Tier Afrikas sehen wir: Eine Nilpferdmutter schmust mit ihrem schnuckeligen Jungtier.
Schimpansen sind uns Menschen genetisch am ähnlichsten, die Übereinstimmung der Erbanlagen beträgt 98,8 Prozent. Es kam mir auf der Tour tatsächlich oft so vor, als blickte ich in einen Spiegel.
Auf dem Kazinga-Kanal
612 Vogelarten, 95 Landtiere, 34 Reptilien – wir staunen über die Biodiversität des 34 Kilometer langen, natürlichen Kazinga-Kanals, der den Lake Edward mit dem Lake George verbindet.
Dank unseres doppelstöckigen Boots mit flachem Rumpf kommen wir nah ran an die Tiere. Elf Gelbschnabel-Madenhacker zähle ich auf dem Rücken eines Kaffernbüffels. Weiße Eisvögel schwirren um ihre Nesthöhlen in der steilen Ufer-böschung. Nilgans, Nimmersatt, Goliathreiher, Graufischer, Graukopfmöwe, Heiliger Ibis, Kormoran, Marabu, Weißkopfseeadler – kaum eine Minute, in der nicht eine weitere Tierart auftaucht.
Ein Warzenschwein durchwühlt die Erde, ein Elefant wackelt gemächlich zu einem Papyrusstrauch und rupft Blätter, ein stattliches Krokodil geht auf Tauchstation.
Nilpferdmama und Kind am Ufer des Kazinga Kanals. Einzelne Tiere bringen ein Gewicht von bis zu 4.500 Kilogramm auf die Waage. 5.000 Exemplare tummeln sich im Gewässer, das Lake George und Lake Edward verbindet. Es ist die weltweit größe Population an Nilpferden.
Auch das für Menschen gefährlichste Tier Afrikas sehen wir: Eine Nilpferdmutter schmust mit ihrem schnuckeligen Jungtier.
Ein Anblick, der ganz und gar nichts Bedrohliches hat. Doch Azariah Kamerako, unser Führer der Uganda Wildlife Authority, weiß: „Appearances are deceiving“, der Schein trügt.
Im undurchdinglichen Nebelwald
Sie existieren nur im Hochland von Uganda, Ruanda und der Demokratische Republik Kongo, insgesamt rund 1.100 Tiere, etwa 535 in Uganda, davon sind 460 im Bwindi Impenetrable Nationalpark heimisch: Berggorillas. Von der Gorilla Safari Lodge in 2.000 Meter Höhe sind es nur wenige Minuten bis nach Rushaga, dem Ausgangspunkt der Exkursion. Hier werden wir einer der acht Gorillagruppen zugeteilt, die an Menschen gewöhnt wurden, das entspricht etwa 70 Prozent der hiesigen Population.
Das Terrain ist steil und so dicht bewachsen, dass kaum ein Luftzug durchdringt.
Gorillas verbringen jede Nacht an einem anderen Ort.
Frühmorgens gehen Späher zum jeweils letzten Übernachtungsplatz, um von dort den aktuellen Aufenthaltsort zu erkunden und dies der Zentrale mitzuteilen.
Wir haben Glück: Unsere Gruppe soll sich nur etwa eine halbe Stunde Marsch von Rushaga entfernt befinden. Andere Gruppen werden mehrere Stunden unterwegs sein.
Wir machen uns auf den Weg und bereits nach wenigen Minuten erahne ich den Grund für das Wort „impenetrable“, undurchdringlich, im Namen des Nationalparks. Das Terrain ist steil und so dicht bewachsen, dass kaum ein Luftzug durchdringt. Wir kommen im Wirrwarr aus Büschen, Gräsern und Bäumen nur sehr langsam voran.
Alle paar Minuten schlagen die Ranger den Pfad mit ihren Machten frei, dann ist uns eine Verschnaufpause vergönnt. Die Tracker stoßen auf das jüngste Gorilla-Nachtlager, zu erkennen am platt gedrückten Gras und den vielen frischen Kothaufen. Nur zehn Minuten später raschelt und grunzt es wenige Meter vor uns. Die Gorillas!
Ein Blick, den ich nie vergessen werde: Die gelassene Urkraft eines Silberrückens – mit nichts zu vergleichen.
Als erstes Tier sehe ich den Silberrücken und Namensgeber der Gruppe Bweza, was übersetzt so viel wie gut aussehend heißt. In der Bweza-Gruppe leben 15 Individuen: zwei Silberrücken, fünf Weibchen jeweils mit Baby und zwei Männchen. Andere Gruppe umfassen bis zu 40 Exemplare umfassen.
Bweza hangelt nach Stängeln und Blättern der Brillantaisia-Pflanze, die er in aller Seelenruhe verspeist. Heute wird er etwa 30 Kilogramm an pflanzlicher Nahrung zu sich nehmen etwa 20 Prozent seines Körpergewichts. Weibchen kommen auf eine tagesration von etwa 18 Kilogramm.
Und wo sind all die anderen Tiere? Ich erfahre, dass sich die Familie über einen größeren Radius verteilt, um sich beim Futtern nicht in die Quere zu kommen. Bweza dreht sich und ich erkenne die markante silberne Fellfärbung am Rücken.
Silbernes Fell wächst erst ab dem 14. Altersjahr, seine Leitfunktion behält das dominante Tier Zeit seines Lebens.
Im Dschungel einem Gorilla in solcher Nähe zu begegnen – ein unbeschreibliches Gefühl.
Jetzt bahnt sich ein vier Jahre altes Weibchen entspannt seinen Weg kaum einen Meter an unserer Gruppe vorbei. Für viele ist dies der prägendste Moment der Reise. Im Dschungel einem Gorilla in solcher Nähe zu begegnen – ein unbeschreibliches Gefühl. Wir erhaschen auch noch einen kurzen Blick auf ein sechs Monate altes Baby, bevor es mit seiner Mutter im Dickicht verschwindet.
Abends, in der fantastischen, von der lebensfrohen Deutschen Doris Meixner geführten Chameleon Hill Lodge blicken wir alle über den Lake Mutanda und lassen die eindrücksvolle Begegnung mit den sanften Riesen Revue passieren.
Vom Übertourismus ist Uganda noch immer weit entfernt.
Diese Gunst gilt es zu nutzen. Die Berggorillas mit ihrem sanften Gemüt in den dichten Urwäldern zu erleben ist zweifelsohne ein ganz besonderes Erlebnis. Jedoch liefern die Schimpansen die bessere Show.
Die Menschen Ugandas habe ich als offen, herzlich und gastfreundlich erlebt. Mein persönliches Highlight ist jedoch das Ruwenzori-Gebirge. Ich muss noch einmal zurück, um dort länger zu verweilen. Zusammengefasst sehe ich es ganz wie einst Winston Churchill: „Dieses Land ist ein einziger schöner Garten – es ist die Perle Afrikas.“
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